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Glasklar

Evgeni Koroliov spielte Bach, Schostakowitsch und Ligeti

Die Musikfestspielreise mit der „Kunst der Fuge“ von Johann Sebastian Bach fand nach Stationen in Pirna und Weesenstein ihren Abschluss im Palais im Großen Garten. Dort begrüßte das zahlreich erschienen Publikum den russischen Pianisten Evgeni Koroliov, der seit dreißig Jahren schon in Deutschland lebt und als einer der hervorragendsten Bach-Interpreten gilt. War schon bei den vorherigen Programmen des Tages mit Werken der Komponisten György Kurtág und Max Reger eine spannende Programmdramaturgie vorhanden, so bekam Bach in diesem Konzert Dmitri Schostakowitsch und György Ligeti als „Nachbarn“ und diese Gegenüberstellung war nicht nur sinnfällig, sie geriet durch eine vollends überzeugende Interpretation Koloriovs zu einem grandiosen Konnzerterlebnis. Dabei war schon das Bach-Spiel höchst bemerkenswert: glasklar strukturierte Koloriov die Contrapuncti, legte Emphase auf die die Entwicklung vorantreibenden Zwischenspiele und gab jedem der Stücke einen ganz eigenen, durchgehaltenen Charakter, der kantige Themenrufe ebenso vorsah wie verinnerlichtes, gleichsam hinter einem Vorhang stattfindendes Spiel mit subtiler Anschlagskultur. Eine Auswahl aus Schostakowitschs Klavierpräludien zeigte nahtlos die Anknüpfung des russischen Komponisten an Bach, aber ebenso auch die Abkehr im zeitgenössischen Sinn: diese Präludien sind weniger kontrapunktisch strenge Kunstwerke als vielmehr vehement emotionale Äußerungen der aphoristischen Art. Das letzte Stück aus Schostakowitschs Opus 87 nahm Koroliov in einem stringenten Atemzug. Statt Pathos bahnte sich hier ein stetig gesteigerter Kraftausdruck Bahn, der die Finalwirkung dieses Stückes unterstrich. Bei einem Ausflug zu György Ligetis „Musica ricercata“ und zwei Beispielen aus dessen „Etüden“ zeigte Koroliov entfesseltes rhythmisches Spiel, und wieder grüßte dank der stets lichten Interpretation (vor allem in „Arc-en-ciel“) Bach aus jeder Nebenstimme, aus jedem gespiegelten Rhythmus oder immer neu angesetzten Themenköpfen. So war die Rückkehr zum Meister selbst am Schluss durchtränkt von den Hörerfahrungen aus dem 20. Jahrhundert. Erfrischend spielte Koroliov vor allem die zweistimmigen Canons, bevor er mit ruhig-überlegenem Gestus in der letzten, unvollendeten Quadrupelfuge die Zuhörer vollends begeisterte.

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