Zeitgenössische Musik mit dem Projektensemble „KlangNetz Dresden“
Eigentlich soll über das zweite Konzert des neuen Ensembles „KlangNetz Dresden“, gemeinsam veranstaltet von der Hochschule für Musik und der Dresdner Philharmonie, berichtet werden, doch in diesem Fall erscheint es sinnvoll, erneut einige Worte zum gerade eröffneten, erstklassigen Konzertraum der Hochschule für Musik zu äußern. Denn der Besuch einer Veranstaltung in diesem Saal droht zur liebgewonnenen Sucht zu werden, schließlich ist man als eifriger Konzertgänger in Dresden nicht gerade mit akustischer Brillanz verwöhnt. So balanciert die Größe des Saales die gerade noch vorhandene Intimität eines Solisten mit der erschütternden Direktheit des Klangerlebnisses optimal aus. Und wenige Streicher vereinigen sich in diesem Raum zu einer sich tief in die Ohren bohrenden Flut aus Tönen und Obertönen. Aus diesem Grunde erwies sich die Wahl von Jörg Widmanns flächig angelegter „Ikarischer Klage“ auch als Glücksgriff. Gleich ob sonnennah die hohen Streicherflageolette blitzten oder drei tiefe Streicher Absturz und Abgrund ausmalten – die fast im Sinne einer sinfonischen Dichtung auskomponierte Programmmusik übertrug sich hautnah; das Musikerlebnis wirkte zum Greifen nahe. In diesem Raum lässt sich zeitgenössische Musik viel höchst intensiv und klar erleben, noch dazu, wenn engagierte Studenten sich für die Werke einsetzen und jede noch so kleine Bogenspannung sich als deutliche Aktion zum Zuhörer überträgt. Viel Applaus erntete daher auch die Uraufführung eines neuen Werkes des Dresdner Komponisten und Hochschulprofessors Christian Münch. „Übliche“ Kammermusik bemüht gern eine konsumierbare Länge von gut zwanzig Minuten Spieldauer, Münch benötigt in „Gesänge und Harmonien“ eine satte Stunde. Man hat dennoch an keiner Stelle das Gefühl einer Überdehnung oder Grenzüberschreitung. Das lag vor allem an der Inszenierung des Augenblicks, die Münch vortrefflich gelingt. Der Titel (literarisch inspiriert durch ein Drama von Hans Henny Jahnn) hätte treffender nicht sein können für die raumgreifende Musik. Die Instrumentalisten umrahmten das Publikum live und über elektronische Wiedergabe, dazu gesellten sich virtuelle Räume und kleine theatralische Abläufe. Ein ganzes Füllhorn vor allem harmonikal geprägter Ideen goß Münch in dieser einen Stunde über den Zuhörer aus und fand sogar einen versöhnlich-lyrischen Abschluss in einem dem Stück „angekoppelten“ Klavierkonzert, das Martin Hecker mit beruhigender Souveränität interpretierte. Am Ende des Konzertes, zu dem Dirigent Ekkehard Klemm passende einführende Worte fand, stand Wolfgang Rihms Komposition „Gejagte Form“ für großes Kammerensemble. Dies war ein Stück, dessen inszenierte Geschwindigkeit und Vehemenz Interpreten wie Zuhörer unter Strom, unter eine gefühlte Atemlosigkeit stellte. An diese höchst anspruchsvolle Partitur konnte sich das Ensemble gut heranarbeiten, lediglich wenige Balance- (Schlagzeug am Ende des Werkes) und Homogenitätswünsche blieben hier verschmerzbar. Fernab der beglückenden Konzerterfahrung im neuen Saal ist kritisch zu hinterfragen, was von der bei der Gründung des Ensembles im Mai erwünschten und von allen Beteiligten auch deutlich betonten Netzwerk-Arbeit übriggeblieben ist – Philharmonie-Musiker suchte man in diesem spannenden Konzert auf der Bühne vergeblich.
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