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Hohes Niveau inklusive

Studio Neue Musik der Hochschule mit Münch-Uraufführung

Wer kreative Inspiration benötigt, dem Mainstream der Klassik entsagen will oder sich schlicht offen für andersartige Klangwelten zeigt, der ist beim „Studio Neue Musik“ der Hochschule für Musik immer bestens aufgehoben. Mehrere Male im Jahr stellen Musikstudenten neue und neueste Werke im Konzert vor. Eine qualitativ hochwertige Darbietung kann der langjährige Leiter Prof. Christian Münch garantieren, denn die Bühnenreife der Werke wird sorgfältig im Unterricht erarbeitet. Nunmehr kann sich das Studio auch des Raumes und der vielfältigen technischen und akustischen Möglichkeiten des neuen Konzertsaales der Hochschule versichern. Für das Studio Neue Musik darf gerne zukünftig noch die Werbetrommel gerührt werden, denn solch anspruchsvolle Konzerte wie am vergangenen Montag dürfen gerne vor großem Publikum stattfinden. Die kleine, aber dankbare Schar der Zuhörer durfte in Franz Martin Olbrischs „3 Sätzen für Klaviertrio“ (Katharina Haffner, Damankos Nagy und Cheng-Tai Chang) erstaunt feststellen, dass der Saal selbst leiseste Streicherklänge scharf wie in einem Brennglas reflektiert. Insofern wirkten die den japanischen „Haiku“ nahestehenden Miniaturen äußerst transparent und nachvollziehbar, wenngleich es skurril erschien, dass es länger dauerte, den Programmhefttext zu studieren als das Stück zu hören. Vermutlich absichtsvoll war das kürzeste Werk des Abends direkt neben das längste platziert. Christian Münch durfte sich über eine Uraufführung einer eigenen neuen Komposition aus studentischer Kraft freuen. Hierbei ist die Leistung der beiden Musiker Hye-Young Kim (Alt) und Markus Ehmann (Klavier) besonders herauszustellen. Münchs Partituren begnügen sich selten mit der in der Neuen Musik fast zur Konvention gewordenen Viertelstundendauer. Eine volle Stunde benötigt „glühen“, so der Titel des Münch-Werkes, um die zumeist akkordisch geprägte Klangwelt zu entfalten, sie nach einer Märchenerzählung zu verarbeiten, mit Licht und Szene sanft anzureichern, zu verzerren und schließlich einen Ausklang zu formen. Lediglich im ruhig einschwingenden Beginn erinnert die Musik an Klavierlieder des frühen Schönberg, zwanzig Minuten später (immer noch im Einschwingvorgang befindlich) hat man aber begriffen, dass diese Musik keine Vergleiche erlaubt. Die beiden Protagonisten zeigten über die volle Zeit Konzentration und Spannung, die technische Beherrschung der keineswegs leichten Partitur war selbstverständlich: eine meisterhafte Leistung! Problematisch dürfte die Herstellung von Ausdruck über die lange Zeitspanne empfunden werden, insbesondere wenn Münchs musikalische Bausteine an vielen Stellen ausstellungshaft und entwicklungslos nebeneinander positioniert scheinen. Es ist keinesfalls leicht, sich auf diese Musik einzulassen, aber an vielen Stellen wird man durch musikalische Entdeckungen belohnt, die vor allem „ihre Zeit“ braucht. Nach der verdienten Pause folgte gleich ein weiterer Höhepunkt. Wirkungsvolle Konzertliteratur für die Tuba ist rar gesät. Anspruchsvolle neue Musik gibt es zwar schon eher, aber kaum ein Werk dürfte einen so faszinierenden Eindruck hinterlassen wie das „Post-Prae-Ludium per Donau“ von Luigi Nono. Andrea Müller (Tuba) und Dirk Homann (Klangregie) formten eine kraftvoll-überlegte Darstellung des Werkes. Eigentlich entstand ein Trio daraus, bei der der Saal als „dritter Spieler“ mitwirkte und die unglaublichen Klänge von Tuba und Elektronik über die Zuhörer ergoss. Am Ende gab es mit Misato Mochizukis „Écoute“ leider noch einen schwachen Beitrag. Mir erschloss sich die lediglich „à la mode“ wirkende Verstümmelung von Birago Diops Poesie nicht. Daran hatte aber die engagierte Interpretation der Sänger Eléna Lefur, Ni Sun, Gabriele Lesch, Peter Motzkus und Tobias Horschke keinerlei Schuld, ebensowenig Oliver Fenks Lichtregie. Die Vielfalt, Risiken und Möglichkeiten neuer Musik – nirgends ist dies besser aufgehoben als im experimentellen Studio für Neue Musik der Hochschule, hohes Niveau inklusive.

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