Renaud Capuçon gastiert erstmals im Kapell-Konzert
Im Mendelssohn- und Haydn-Jahr sind Konzerte mit Werken von Robert Schumann derzeit wohl eine Art Nebenschauplatz. In Dresden blieb ihm zu Lebzeiten ja der ganz große Karriereschritt verwehrt, Schumann zog nach Düsseldorf weiter. Wenn sich die Sächsische Staatskapelle und der Gastdirigent Daniel Harding etliche Monate vor dem Beginn des eigentlichen Schumann-Jahres (200. Geburtstag) im 11. Sinfoniekonzert an ein reines Schumann-Programm wagen, kann es fernab von Äußerlichkeiten nur um eines gehen: um die Musik selbst. Denn das Argument, dass Schumanns Musik doch gängiges Repertoire sei, kann schon allein mit der Rezeptionsgeschichte des Violinkonzertes d-Moll entkräftet werden, das nach einigen Proben bald nach Schumanns Tod in den Untiefen von Sammlungen und Bibliotheken verschwand. Schumann interpretieren, Schumann hören und gar verstehen – dies zieht einen nicht gerade geringen Anspruch für Musiker wie für das Publikum nach sich. Das Violinkonzert sträubt sich mit jeder Note: es verneint das Virtuosenethos und entwickelt stattdessen eine fragil erscheinende emotionale Tiefe. Harding arbeitete zu Beginn denn auch die zweiten Violinen kolossal heraus, die dem an sich erdenen Thema einen insistierenden Unruheteppich verpassen. Der französische Geiger Renaud Capuçon gab mit der Interpretation des Schumann-Konzertes sein grandioses Debüt bei der Staatskapelle. Sein Guarneri-Instrument besitzt eine unglaubliche Präsenz und verliert auch in zartesten Passagen nie seinen obertonreichen Glanz. Capuçon tauchte mit Beginn seines Soloparts ab in die Schumann-Welt und wäre vermutlich bis zum Schlussakkord auch nicht ansprechbar gewesen. Sein Spiel war dämonisch-zwingend und in Technik und Intonation unglaublich präzise. Während er den ersten Satz ernst und mit deutlicher Schwere der Töne gestaltete, geriet der lyrische zweite schlicht und voller Anmut, nobel und würdevoll dann das Finale. Harding und Capuçon befreiten mit dieser konsequent vitalen und detailreichen Interpretation von der Patina des düsteren Spätwerkes – Schumann auf solche Eingleisigkeiten zu reduzieren, würde dem Werk ohnehin nicht gerecht, das zeigten auch die anderen beiden Stücke, die in Dresden entstanden: die Ouvertüre zur Oper „Genoveva“ ging Harding mit einem secco-Bläserklang an, kurz und knackig war die Artikulation, so dass ein dramatischer Vorwärtsgang möglich wurde, der aber immer von Leichtigkeit getragen war. Die 2. Sinfonie C-Dur musizierte Harding mit starkem Gestaltungswillen, das körperlich intensive Engagement führte im langsamen Satz dann zu etwas zu direktem Spiel. Fulminant hingegen, wie Harding sich im 1. Satz ein echtes Fortissimo bis zur Reprise aufsparte, dennoch permanent dynamische Binnenstrukturen offenlegte und die Schlussakkorde wie präzise abgeschossene Pfeile ins Ziel trafen. Die beiden schnellen Sätze verleiteten zu reichlich virtuosem Glanz, hier waren die vollmundigen Streichersätze waren genau auf dem Puls der Musik gesetzt und Harding scheute sich nicht, das Orchester mit freier Tempoführung und nimmermüdem Einsatz am Ende zu einer Höchstleistung zu motivieren. Ein völlig überzeugendes Schumann-Konzert war dies, und neben dem Genuss des feinen Kapellklangs stand am Ende die Feststellung, dass man Schumanns Werke immer wieder neu betrachten und entdecken kann.
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