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Geht nicht gibt’s nicht.

ascolta Ensemble plays Zappa @Hellerau

Es gibt kaum eine zweite Musikgestalt im 20. Jahrhundert, die ausgehend vom Rock und von der Jazzmusik ein dermaßen kreatives und diffuses Output über Jahrzehnte schuf wie Frank Zappa. Zappa experimentierte in seinem Spätwerk mit Orchester- und Ensemblefarben und komponierte viele nicht mehr aufgeführte Stücke im Studio. Bereits 1984 war Zappa mit Pierre Boulez für das Album „The Perfect Stranger“ in Neue-Musik-Gefilde eingetaucht und komponierte in der Folge vor allem auf dem Synclavier, einem umfangreichen Musikproduktionssystem, das es Zappa ermöglichte, komplizierteste Strukturen und Klangkombinationen zu erfinden. Kurz vor Zappas Tod 1993 gab es eine Zusammenarbeit mit dem Ensemble Modern und daraus resultierend das letzte Album „The Yellow Shark“.

Dass nun das renommierte Ensemble ascolta sich um die Musik Zappas bemüht, liegt nicht an einem erneuten Interpretationsansatz, sondern beruht auf der Tatsache, dass in Los Angeles weiterhin unveröffentliches Material des Musikers liegt. Seit vier Jahren erarbeitet das Ensemble spielbare Arrangements der dort gesichteten Stücke, sieht sich aber auch mit der Quadratur des Kreises konfrontiert, wenn es gilt, auseinanderdriftende und rhythmisch komplexeste Zeitschichten übereinander im Ensemble zu organisieren. In Hellerau konnte ascolta „Samba Funk“ als Uraufführung präsentieren – vor allem Posaunist (und Multitalent) Andrew Digby bemühte sich um die Rekonstruktion der Zappa-Werke. Das gesamte Zappa-Vorhaben (eine CD ist in Vorbereitung) kann man trotz des großartigen Konzertergebnisses aus mehreren Gründen kontrovers betrachten, denn zum einen übersteigen die Stücke schlicht menschliche Möglichkeiten. Der Vergleich zu Conlon Nancarrow ist naheliegend, der ebenfalls eine Maschine nutzte, um seine Ideen zu realisieren.

Weiterhin wäre die Frage der Rezeption zu stellen, denn die rasche Schnitttechnik einiger Stücke benötigt eine gute Kondition des Hörers, denn dieser bekommt kaum eine Chance zum Verweilen oder zum Nachvollzug. Stellenweise dürfte die Frage durchaus erlaubt sein, ob man einem hyperkomplexe Musikmatrixen abspielenden Computersystem mit gleichem sinnlichen Interesse zuhören würde. Zum dritten wäre zu fragen, ob die spezifische Klangfarbe des ascolta-Ensembles den Studio-Ideen von Zappa wirklich entspricht oder ob nicht manches orchestraler, manches noch solistischer gemeint war. Und trotzdem: die herausragende musikalische Leistung, der Ernst, mit dem ascolta bei der Sache war, und der Enthusiasmus, mit dem die Musiker die Stücke vorstellten, nötigte höchsten Respekt ab. Atemberaubende Drumsoli (Lukas Schiske) und eine selbstverständliche Hochkonzentration über zwei Stunden demonstrierte das Credo von ascolta: „Geht nicht gibt’s nicht“

Im Medley des ersten Teils und mit dem augenzwinkernd hyperkomplexen „Black Page“ waren dann auch Stücke im Programm enthalten, die zumindest für einige Takte Entspannung boten. Riesiger Applaus von einem recht kleinen Publikum war das Resultat. Kritisch anzumerken sei außerdem, warum ein ohnehin zu erklecklichen Phonstärken fähiges Kammerensemble im Festspielhaus tontechnisch so aufgeplustert werden muss, dass man sich bei einigen Passagen aufgrund des Frequenzspektrums von Bläsern, E-Cello und Schlagzeug schlicht die Ohren zuhalten musste. Die Brutalität der Ensemble-Verstärkung stand leider in keinem Verhältnis zu dem guten Eindruck des Konzertes.

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