Herbert Schuch und Michael Sanderling gastieren bei der Dresdner Philharmonie
Er gilt (noch) als ein Geheimtipp unter den Pianisten. Und seine bisherigen Konzerte und Aufnahmen belegen eindrucksvoll, dass hier nicht ein junges Talent über den Klassikmarkt fegt, bis das Pulver verschossen ist, sondern hier reifen besondere Interpretationen. Herbert Schuch, bei Karl-Heinz Kämmerling und Alfred Brendel ausgebildet gastierte zum ersten Mal in Dresden und zeigte im 4. Philharmonischen Konzert eindrucksvoll, dass Beethovens 5. Klavierkonzert weder das Egomanen-Schmankerl für vergessene Solisten ist noch ein verstaubtes Repertoirestück, dem nichts mehr hinzuzufügen wäre.
Schuch benennt einiges, was dieses Wunderwerk Beethovenscher Komponierkunst auszeichnet: im 1. Satz ist es vor allem die gelassene Geläufigkeit, das beinahe nebensächliche Mitspielen in einem großformatig-sinfonischen Orchestersatz. Im Mittelsatz lehrt uns Schuch durch seinen hervorragenden Anschlag, welche Nichtigkeiten Beethoven zu einem Thema oder einer ostinaten Wendung erhebt und wie dies alles zu einem Netz versponnen wird. Und am Ende brilliert Schuch auch noch mit frischen, unprätentiösen Virtuosentugenden, denn was da im 3. Satz so perlt, sind frech im Tempo angezogene Läufe.
Dieser durchdachten Interpretation setzte Schuch noch mit einer einfühlsam musizierten Bagatelle aus Opus 126 das Sahnehäubchen auf: Beethoven, zeitlos schön. Gastdirigent Michael Sanderling wurde zum wiederholten Mal nach Dresden eingeladen und begleitete das Beethoven-Konzert mit den Philharmonikern aufmerksam und mit ebenso frischem Orchestersatz, lediglich in den Holzbläsern war ein Balance und Homogenität eher von schwankender Qualität, dagegen hatten die beiden Hornisten wohl einen „Heute-gelingt-mir-alles“-Tag und glänzten mit sattem Wohlklang.
Nach der Pause wurde zunächst ein philharmonischer Violinist in den Ruhestand verabschiedet. Dass aus den Tutti-Reihen oft die engagiertesten und spannendsten Impulse emporsteigen, dürfte Volker Karp in den vergangenen 36 Jahren (!) bei der Dresdner Philharmonie hinlänglich bewiesen haben. Er führte den Orchestervorstand durch schwierige Wendezeiten, pflegte die philharmonische Kammermusik und initiierte Ausstellungen zu den Geigern David Oistrach und Szymon Goldberg – letzterer war vier Jahre Konzertmeister der Philharmonie. Mit großem Applaus wurde Karp verabschiedet und dankte seinen Kollegen und dem Publikum.
Ein eindrucksvolles und geschichtsträchtiges Dokument der Sinfonik des 20. Jahrhunderts stand dann auf dem Programm: Dmitri Schostakowitschs 10. Sinfonie e-Moll. Über die Sinfonie, ihren Ausdrucksgehalt und ihre besondere Stellung (im Jahr von Stalins Tod komponiert) wurde viel geschrieben. Als Dirigent steht man vor der schwierigen Aufgabe, diese Grenzen erschütternden und überschreitenden Ausdruckswelten zu bewältigen. Michael Sanderling gibt selbst an, viel durch seinen Vater gelernt zu haben, der ein großer Kenner der Musik von Schostakowitsch ist.
Seine eigene Sichtweise stellte er nun im Konzert bei der Philharmonie vor und diese war kontrastreich und intensiv. Sanderling verhehlt nicht sein Temperament, dementsprechend hart und vorwärtsgetrieben ging es insbesondere in den Tutti-Flächen zu, was im 2. Satz zu einer brutalen Klangmasse führte, die aber dem Stück angemessen erscheint. Dennoch: im allgemeinen Wirbel und Sturm fehlte (besonders im Finale) dann punktuell die Präzision, die letztlich den „Stachel“ des Werkes ausmacht. Den Eingangssatz legte Michael Sanderling sehr überzeugend als eine große musikalische Gedankenarbeit an, die immer mehr Farben und Facetten entfaltet. Nur der abschließende Höhepunkt hatte zuviel Verve mitbekommen und hätte im Festhalten des Tempos kräftiger gewirkt. Im 3. Satz waren ebenfalls einige Temposchwankungen zu beobachten, auch der Hornruf war nicht aus einer anderen Welt, sondern eher beiläufig ins Spiel gebracht. Die recht schnell musizierte Walzerepisode bekam fast einen orientalischen Touch.
Von solchen Besonderheiten abgesehen überzeugten die Philharmoniker unter Sanderling vor allem in den ruhigen Passagen mit empfundenen Soli (Flöten / Fagotte), die der Dirigent ohne Hast ausmusizieren ließ. Diesen Inseln wohnte Melancholie inne und wer die Musik kennt, weiß dass der Komponist am Ende auf seinen Initialen trommelt – der Akt des Freischreibens findet im Finale seinen Höhepunkt. Die spannungsgeladene Aufführung wurde mit großem Beifall bedacht.
Noch bis 31.3.2010: „Szymon Goldberg“ Sammlung Volker Karp. Ausstellung im Carl-Maria-von-Weber-Museum Dresden-Hosterwitz.
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