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Mahlers Schatztruhen – Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck gastierte in der Semperoper

Das kam genau richtig. Mitten in einem „Russlandia“-Programm gastierte das Pittsburgh Symphony Orchestra bei den Dresdner Musikfestspielen in der Semperoper. Damit gelingt den Festspielen nicht nur der orchestrale Seitenblick „übern Teich“, man bekommt in diesem Jahrgang zudem einen tiefen Einblick in die Orchesterkultur diverser Länder. Im Programm gab es ein Paradestück für Sinfonieorchester – aber eben auch einen bekannten Prüfstein: Gustav Mahlers 1. Sinfonie D-Dur. Zudem gesellte sich den Amerikanern der Intendant der Musikfestspiele, Jan Vogler, als Solist zur Seite und musizierte das Schumannsche Cellokonzert.

Schön und fortführungswürdig ist, dass im Programmheft einige persönliche Worte des Solisten zum Interpretationsansatz zu finden waren – auf diese Weise erhellten sich einige musikalische Aspekte, die ansonsten möglicherweise fraglich geblieben wären: denn was Schumann selbst als „durchaus heiteres Stück“ anpries, bürstete Vogler ordentlich gegen den Strich. Da musste im ersten Satz auch im Zusammenspiel mit dem Orchester erst ein gemeinsamer Klang gefunden werden und Vogler formte aus dem unaufhörlichen Notenstrom eine große Rede, in der es um Behauptung, vielleicht auch Befreiung ging. So blieb die Cellostimme auch im langsamen Satz groß und erhaben, wirklich intime Elementen fand Vogler eigentlich erst im letzten Satz, in welchem auch von der Komposition her mehr Licht durchschimmert. Diese Interpretation lief sicher konträr zu bekannten romantischen Sichtweisen, als intensiv-temperamentvolle Auseinandersetzung mit den Schumannschen Charakteren erschien sie in summa überraschend legitim.

Manfred Honeck, seit zwei Jahren Chefdirigent des Pittsburgh Symphony Orchestra, konnte bereits in der Begleitung den silbrigen Glanz seines Ensembles hervorlocken und spielte dann in der Mahler-Sinfonie die Stärken des Klangkörpers voll aus. Die Aufführung geriet für Honeck zum Triumph, laut jubelte das Festspielpublikum und erklatschte sich drei Zugaben: neben dem unvermeidlichen ungarischem Tanz und einer echten Wiener „Libelle“ fehlte auch nicht der augenzwinkernde Walzergruß an den Hauskomponisten der Semperoper. Mahlers sinfonischer Erstling jedoch ist lediglich im finalen Satz ein phonstarker Garant für Applausstürme – das Stück birgt einige Schatztruhen in sich, die Honeck eine nach der anderen liebevoll öffnete und mit präzisen Impulsen zum Klingen brachte.

Fantastisch sitzende Harmonik im Blech war ebenso zu bewundern wie eine in allen Sätzen fast lasziv ausmodellierte Piano-Melodik in den Streichern. Auf der Stuhlkante sitzen ohnehin alle Musiker; Freude und Hochspannung sind da in den Gesichtern abzulesen, just als würde man das Stück gerade aus der Taufe heben. Satter Zugriff im Scherzo und fahl schimmernde Nachtmusik im langsamen Satz – diese Kontrastpaare kumulierten im letzten Satz an der spannungsgeladenen Nahtstelle aller Motive der Sinfonie. Manfred Honeck krönte die Europa-Tour seines Orchesters mit einem umjubelten Gastspiel in Dresden und ist mit dieser hinreißenden Interpretation ohne Zweifel in der Reihe der ganz großen Mahler-Dirigenten angekommen.

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