Ensemble Courage spielt Michael Wertmüller und Klaus Lang
Nach einigen Erkundungen im Musiktheater, in der kammermusikalischen Behandlung des DrumSets und in der rockigen Betrachtung zu Andy Warhol geht das Tonlagen-Festival in Hellerau nun aufs Ganze: „Avant-Core“ war das Konzert am Mittwoch übertitelt – „core“ in seiner Bedeutung von „knallhart“ oder „bis ins Mark“ ist hier wörtlich zu nehmen, denn viel zu gediegen klingt der gute alte Avantgarde-Begriff, um die Wirkung des Konzertes zu beschreiben.
Das Ensemble Courage, längst den Kinderschuhen entwachsen und nun vor allem im Dunstkreis von Berlin und Dresden auf Spürsuche nach spannenden Entwicklungen in der Neuen Musik, traute sich glatt, Stücke von Michael Wertmüller und Klaus Lang in ein Konzert zu packen. Für den, der die beiden Komponisten nicht kennt, nutzt leider ein plastischer Vergleich wenig, denn beide muss man in ihrer Grenzauslotung und stellenweise auch in ihrem beabsichtigten Grenzübertritt nebeneinander erlebt haben.
Michael Wertmüller ist Schlagzeuger und Komponist; er schreibt Partituren, die Interpreten und Hörer vor allem in rhythmischer und dynamischer Hinsicht überfordern. Stellt man sich dieser Überfrachtung, öffnet sich schnell eine zweite Ebene: in allem Schwindel der Tempi und Rhythmen und in der permanenten Dichte der Musik offenbart sich eine spielerische Virtuosität, die stellenweise sogar frei schwingt. An diesen Stellen enthebt sich die Musik ihrer offen exerzierten Gewalt-Tätigkeit. In der Uraufführung „in time. next step!“, waren diese Momente ebenso zu beobachten wie in „time – involved in processing“, allerdings gibt es auch lange nach dem Konzert noch erhebliches Potenzial, die entgegengeschleuderten Noten zu einem Eindruck zu formen,
insbesondere an den Nahtstellen zu maschinell anmutenden Prozessen, die auch die Frage nach dem Sinn des Interpreten aufwerfen. Wer Neue Musik als extrem empfindet, hat hier den Exzess vorgesetzt bekommen. Fragen werfen die Stücke vor allem in der Ausdrucksqualität auf, aber vielleicht ist auch hier eine neue Syntax vonnöten, die die Materialmasse sinnvoll erfasst. Der noch endgültigste Gedanke ist, dass man einer exzellenten, hochseriösen Interpretation zuhören durfte: Titus Engel, das Ensemble Courage und das Gast-Trio „Steamboat Switzerland“ mit Hammond-Orgel, Bass und Percussion versuchten auch noch das Unmöglichste überzeugend zu realisieren, wohl wissend, dass körperliche und geistige Grenzen dabei hart beansprucht werden.
Dass diese Grenzerfahrung beim anderen Extrem, der an der unteren Hörbarkeitsschwelle schrammenden Stücke von Klaus Lang, ganz anders gelagert ist, ist klar. Dennoch wirkte die Gegenüberstellung gut, denn auch Lang überbeansprucht den Hörer, allerdings mit einer Zeitbetrachtung in der Gegenrichtung: verschwommen und verwischt ahnt man in der Uraufführung „Schnee im August“ (der Titel hier als Relikt einer verzweifelten Was-Passiert-da-Beschreibung?) Details herauszuhören und findet trotzdem selten ein Ziel oder einen Halt in der Musik. Es ist die Suche nach genau dem Halt, den Wertmüller einem in der nächsten Viertelsekunde unter dem Boden wegreißt – intensiver kann Musik kaum wirken.
Nach diesem außergewöhnlichen Konzert gab es eine Impro-Zugabe der Schlagzeuger im Dalcroze-Saal bevor ein Live-Act den Abend versöhnlich und tanzbar beschließen sollte. Nur schade, dass sich die Größe von Felix Kubin nicht bis in Dresdner Breitengrade herumgesprochen hat, nur wenige Liebhaber genossen dieses DJ-Set der besonderen Art.
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