Festkonzerte mit der Staatskapelle in der Frauenkirche als medialer Doppelpack
Das Adventskonzert in der Frauenkirche gibt es schon seit zehn Jahren, das erste Konzert fand noch auf der Baustelle statt. Mittlerweile aber drängt der Musikmarkt heftigst in die kleine Goldgrube Frauenkirche und die Kameras und Scheinwerfer über den Köpfen sind längst ein gewohntes Bild geworden. Vielleicht ist die Zeit der Besinnlichkeit auch wie geschaffen dafür, einmal über den Sinn solcher Entwicklungen nachzudenken.
In diesem Jahr jedenfalls schlug das Adventskonzert einige Kapriolen. Denn das das ZDF zeichnete am Sonnabend direkt im Anschluss gleich ein Passionskonzert auf, was die TV-Mitarbeiter zu der absurden Ansage verleitete, man solle doch bitte in der Kirche Schals und Wintermantel ablegen, es sei schließlich Frühling. Das erste Konzert hatte zudem Starsopranistin Anna Netrebko aus künstlerischen Gründen abgesagt. Dem mit der Einspringerin, der Sopranistin Mojca Erdmann besänftigten Publikum musste das ZDF dann zur Begrüßung in der Frauenkirche recht spontan beibringen, dass diese sich am Vorabend krankgemeldet hatte. Erst wenige Stunden vor dem Konzert wurde rettender Ersatz gefunden: Carolina Ullrich, seit dieser Spielzeit Mitglied im Ensemble der Semperoper, sagte zu und sang das Programm ohne Änderungen. Die souveräne Darbietung der aus Chile stammenden 28jährigen Sopranistin nötigt allerhöchsten Respekt ab. Mozart und Händel gestaltete sie mit höchst geschmeidiger Stimmführung – ihre „Rejoice“-Arie war in dieser natürlichen Fröhlichkeit ein schönes Erlebnis.
Ostern und Weihnachten fielen also dank Sony und dem ZDF auf einen Tag. An diesem Punkt darf man einmal kräftig die Kantoreien und Kirchgemeinden in Sachsen loben, die sich Jahr für Jahr bemühen, dem Kirchenjahr die jeweils passende Musik zu verleihen, die dann mit reichlich Herz aufgeführt wird. Das mag man zwar den hochkarätigen Interpreten in der Frauenkirche nicht gänzlich in Abrede stellen, doch der Wille zum Tiefgang darf angesichts der Schnipsel-Klassik, bei der unwidersprochen Praetorius‘ „Morgenstern“ neben einem winzigen Satz aus Tschaikowskys Nussknacker-Ballett platziert wurde, zumindest bezweifelt werden. Eine technische Panne (der Beweis des menschlichen Versagens war notwendig, um das dräuende Bild eines völlig erkalteten Produktionsablaufs zu durchbrechen) sorgte für die doppelte Darbietung eines Hammerschmidt-Liedes durch den Frauenkirchen-Kammerchor unter Matthias Grünert, der die „echten“ Adventslieder (es hätten gerne mehr sein können) von der Empore musizierte.
Der Italiener Vittorio Grigolo war als neuer Stern am Tenorhimmel bereits im Vorfeld gepriesen worden. Das stimmliche Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden, doch Schmachtfetzen wie „Panis Angelicus“ und „Ave Maria“ sind eigentlich kaum dazu geeignet, die Interpretationsfähigkeiten eines jungen Talentes zu beschreiben. Man wird auf jedem Fall viel von ihm hören. Entdeckung im Programm war das kleine „Te Deum“ von Joseph Haydn. Es hatte zwar auch nichts mit Advent zu tun, aber die Staatskapelle und der Staatsopernchor zeigten sich hier wohl am souveränsten, weil hier doch mehr als drei Minuten zusammenhängende Musik zu bewältigen waren, deren innerer Reiz von Dirigent Bertrand de Billy, der übrigens beide Konzerte als Debut bei der Kapelle mit gelassener Übersicht leitete, auch gut herausgearbeitet wurde.
Nach rund einer Stunde war die Festlichkeit vorbei, fernsehgerecht anständiger Applaus ward gegeben, die Kerzen verschwanden, der Stern wurde abgehangen, und fertig war die Passionsatmosphäre. Das Ballett der Kameramänner gab es auch hier inklusive, die Musikschnipsel ebenso. Diesmal mussten Haydn und Bach als Füllstoff herhalten: Von den „Sieben letzten Worten des Erlösers am Kreuze“ reichte eines, und mit „Erbarme Dich“ hatte man auch Johann Sebastian Bach zur Genüge getan, schließlich stand das Pergolesi-Stabat Mater als Sängerfest im Mittelpunkt.
Anna Netrebko und Marianna Pizzolato fanden hier wirklich zu empfundener, manchmal etwas zu dramatisch-opernhafter Darstellung, die aber noch im angemessenen Rahmen verblieb. Insbesondere Netrebkos „Vidit suum“ war von intensiver Schönheit, ein „Paradisi Gloria“ verschmolz zwischen beiden Stimmen in wunderbarer Weise, bevor Netrebko das Amen forsch und selbstbewusst ansetzte. Insgesamt war die Interpretation von de Billy recht flott angesetzt, ein intimer Charakter wollte sich jedoch auch durch den von der Kapelle nicht vollends abgelegten romantischen Klangansatz nicht einstellen. Die Geschichte der Staatskapelle reicht weit ins barocke Zeitalter zurück, die Spezialisten für diese Musik sitzen auch heute mitten im Orchester. Dennoch wurde hier in beiden Konzerten ein butterweich-sämiger Grundklang von Vivaldi bis zu Haydn produziert, den man vor allem im bei Bach heute nur noch als kontraproduktiv zur komponierten Botschaft empfinden kann. Eine eindeutige Positionierung in dieser Hinsicht dürfte weitaus bedeutsamer wirken als der flüchtige Glamour der Mattscheibe und so auch nicht diese musikalisch zweifelhaften Ergebnisse erzeugen.
Kommentaren