Szenische Miniaturen von Kompositionsstudenten
Die jungen Komponisten an der Dresdner Musikhochschule haben ihre neuesten Schöpfungen im Institut bisher zumeist in den als „Podium“ bekannten Abenden vorgestellt. Oft war dies bunt gemischte Kammermusik, und es fanden sich immer Kommilitonen, die die noch tintenfeuchten Partituren zur Uraufführung brachten. Die Zeiten ändern sich, der Komponist von heute ist gestählt in multimedia-Anwendungen, schreibt für alle Gattungen und Genres und bindet performative, bildende und literarische Kunst wie selbstverständlich in sein Werk ein. Aus der Fülle der Möglichkeiten jedoch zeitenüberdauernde Kunst zu schöpfen, ist nicht planbar. Doch zumindest bietet das Kompositionsstudium ein Füllhorn von Spiel-Möglichkeiten in Theorie und Praxis zum Entwickeln der künstlerischen Persönlichkeit.
Ein Abend der Klasse von Prof. Manos Tsangaris stellte daher sozusagen Momentaufnahmen, Streiflichter vom gegenwärtigen Schaffen der Kompositionsstudenten dar. Der Abend war außerdem als Suite von szenischen Miniaturen unter dem Titel „Briefmarkenopern“ zusammengefasst – die Bildkraft dieses Begriffes regt an und irritiert zugleich, und genau so war auch die Wirkung der Darbietung. Im Konzertsaal wurde das Publikum auf der Bühne platziert, auf diese Weise entstand zwar ein enger, begrenzter Raum von Sicht- und Hörflächen, doch wollte sich der „klassische“ Frontalaspekt zwischen Publikum und Interpreten nicht völlig aufheben. Außerdem ist das Auditorium von Natur aus gleichzeitig geduldig und träge und reagiert selbst dann nicht genervt, wenn gleich zu Beginn dieser Zustand als erlaubt annonciert wird.
Was erklang? Verschiedene Zugänge zu szenischer Musik, die oft als Ansatz, Annäherung, Skizze zu begreifen waren, in seltenem Fall in ihrer Dringlichkeit oder Abstraktion aber durchaus als starkes Ganzes wirkten – „recycle“ von Neele Hülcker etwa formte mit lediglich drei Sängerinnen samt Diktiergeräten eine beängstigend kalte Meta-Ebene des Theaters und überzeugte mit einem konsequent durchgeführten Material, das Kraft entwickelte. Katharina Vogt formulierte einen sanften Antibeginn mit schweigenden Musikern und Blockflötenstörungen vom Nachbarplatz. Christian Rheber wiederum lockte in einen Phantasy-Raum mit einem theatralischen Fragment, das sich selbst in Frage stellte. „Come and Go“ von Nicolas Kuhn war der vielleicht introvertierteste, aber auch stimmungsvollste Beitrag, während Peter Motzkus‘ „ARIA“ für Sängerin und Smartphone auf merkwürdige, vielleicht einsame Parallelwelten zwischen Leben und Technik hinwies.
Martin Baumgärtel erschien für eine szenische Miniatur der Schaffensprozess in seiner Spiegelung als Ansatz spannend und die Briefmarkenoper „In Liebe, Agnes“ erinnerte vor allem in ihrer musikalischen Unbekümmertheit stark an Milhauds „Minutenopern“. Wunderbar, wie engagiert und professionell alle Aufführenden agierten und so einen erhellenden Streifzug durch die Werkstatt der in Dresden studierenden Komponisten ermöglichten. Und schön, dass ein Klassenabend Komposition neben sicherlich auch notwendigem Diskurs über Theorie und Ästhetik einmal fünfe grade sein lässt und mit den Augen zwinkert: Baumgärtels Ringen mit dem Skizzenblatt verschwand live im – Reißwolf.
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