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Ein Berg Arbeit

„Les Fleurs du Mal“ von Klaus Schedl bei den Tonlagen Hellerau

Nach der festlichen Eröffnung des „Tonlagen“-Festivals im Festspielhaus Hellerau war der zweite Konzertabend augenscheinlich einem „leisen“ Genre gewidmet – ein Liedzyklus war angekündigt. Doch weder huldigte man dem klassischen Genre des Klavierliedes noch war mit Charles Baudelaires „Les Fleurs du Mal“ (1857-1868) eine sinnlich-romantische Vorlage gegeben. Wer den etwas lobhudelnden Programmtext im Voraus gelesen hatte, war auf „beherzte Musiker“ und „fragile Apokalypsen“ vorbereitet. Der in München lebende Komponist Klaus Schedl (geb. 1966) hat insgesamt sieben Gedichte Baudelaires vertont und diese Musik in die Hände des von ihm 1993 gegründeten Münchner Ensembles „piano possibile“ gegeben.

Damit standen ihm kundige Instrumentalisten zur Verfügung, die weder Komplexität noch Innovation scheuen und in den sieben Liedern eine Interpretation formten, die für die Zuhörer vor allem nach einem Berg Arbeit aussah. Denn so eifrig sich die fünf Musiker und zwei Vokalisten auch mühten, der Anspruch, dass „der Gehalt, nicht die Worte“ vertont würden, teilte sich in den 70minütigen Tiraden aus dichter zeitgenössischer Musik vermischt mit Live-Elektronik, Noise- und Punkelementen kaum mit. Baudelaire wurde so im Gesamteindrück wirklich auf das Böse, auf Schmutz, Schmerz und Ennui reduziert. Damit tut man aber dem Dichter keinen Gefallen und dem Publikum auch nicht, zumal die Darbietung von piano possibile in der klassischen Frontalanordnung mit hübschen blauen und roten Scheinwerfern in krassem Gegensatz zum bruitistischen Ansatz des Komponisten stand.

Auch die Interpretation ließ an einigen Stellen Wünsche offen: die beiden Vokalisten Sascha Friedl und Mafalda de Lemos konnten die erforderliche Bandbreite und Intensität des Ausdrucks stimmlich nicht befriedigend umsetzen; Schedls Schnitte und Zerstückelungen der Gedichte führten auch mehrfach zur Auslöschung von lyrischen Momenten, die als Chance in Rezitation oder Wortvertonung bestanden hätten. Daher blieben wenige kreative Augenblicke des Staunens als positiver Eindruck, dann nämlich, wenn Hass, Wut und Tränen eben keine musikalische Entsprechung als Gewaltausdruck im Lärmen fanden, sondern sich einzelne Töne und Geräusche verästelten oder verebbten.

Dass schließlich auch der bewusste Umgang mit musikalischer Zeit eine andere Ebene hervorgebracht hätte als das vertikale Vernieten von Geräuschphasen wäre der letzte Wunsch an diesen Liederzyklus gewesen, dann wäre auch Baudelaire in seiner ganzen Pracht des Höllengesangs wieder zum Vorschein gekommen.

(3.10.)

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Veröffentlicht in Rezensionen

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