Georges Prêtre mit Schubert und Mahler im 6. Sinfoniekonzert der Staatskapelle
Vor fast genau zehn Jahren begann er eine intensive Zusammenarbeit mit der Sächsischen Staatskapelle, und das ist in seinem Alter und mit der Erfahrung, bei der man sich die Lieblingsorchester der Welt nahezu aussuchen kann, nicht selbstverständlich. Doch den 87jährigen Georges Prêtre, den französischen Grandseigneur der Dirigentenzunft zieht es immer wieder nach Dresden: Freundschaften wollen gepflegt werden, und wenn man einen Blick in seine funkelnden Augen während der Aufführung erhascht, so weiß man, dass diesem großen Mann nichts lieber ist als Musik, Musik, Musik.
Das 6. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle am vierten Advent war daher auch nahezu ausverkauft und mit Schuberts „Unvollendeter“ und Mahlers 1. Sinfonie standen zwei große sinfonische Werke auf dem Programm, die nicht nur durch die Tonartenbeziehung eine interessante Dramaturgie aufwiesen. Prêtre ging durchaus ähnlich an beide Werke heran, indem er immer wieder in Ruhe nach einem spezifischen Klangfluss forschte, der zum einen punktgenau ins Detail verwies, zum anderen nie den Zusammenhang der Architektur des Werkes außer acht ließ. Mit dieser Konsequenz versehen, geriet das Konzert zu einem Festmahl, bei dem die Zeit rasant verflog, weil sie mit dem Äußersten angefüllt war.
Dazu übertrug sich Prêtres spannungsgeladenes Musizieren bis in die hintersten Reihen im Parkett, so dass man bei von Prêtre sensibel angelegten feinen Harmoniewechseln in der Schubert-Sinfonie atemlose Stille im Opernrund verspürte. Die Detailgenauigkeit führte aber niemals zum Bruch – Schuberts zweisätziges Meisterstück wurde wie ein liebevoll enthülltes Geschenk bedacht: Prêtre ist ein Meister im Maßhalten und so zauberte er vor allem einen runden, satten Klang aus dem Orchester, der Schubert keine Weltverzweiflung auferlegte, sondern vor allem Sensibilität und Lebensatem – sauber ist ein „Moderato“ da vom „con moto“ getrennt.
Dafür allein hätte man Prêtre schon feiern mögen, doch der sinfonische Erstling von Gustav Mahler wartete noch nach der Pause.
Auswendig und mit ökonomischer, dennoch scharfer Zeichengebung führte Georges Prêtre die Sinfonie zu einer differenzierten Interpretation. Das begann gleich bei der feinen Contenance, mit dem er die Naturlaute des 1. Satzes mit der persönlichen Reflektion des Komponisten verband und selbst im Höhepunkt noch Linien betreute und Abrundung gestaltete. Die Aufbruchsgedanken waren über den von Prêtre saftig musizierten 2. Satz bis in die letzten Noten des 4. Satzes gespannt. Sanft führte Prêtre die Musiker zu atemberaubenden Bläsersoli und gab im Dirigat oft nach um den Klang zu intensivieren, der Marsch des 3. Satzes erhielt dadurch eine Stringenz, die nie Grenzen überschritt, damit tiefen Ernst entwickelte.
Außergewöhnlich langsam geriet der 4. Satz, doch mit der Ruhe und Überlegenheit, die Prêtre ausstrahlte, entwickelte der Satz schon zu Beginn eine enorme Kraft. Doch Säbelrasseln ist Prêtres Sache nicht, stattdessen strömte das Finale mit allen seinen Rückblicken und Innenschauen markant und organisch auf seinen hymnischen Jubel zu. Den Blumenstrauß gab es als besondere Ehrerbietung gleich von Christian Thielemann höchstselbst; mit stehenden Ovationen dankte das Publikum Georges Prêtre und der Kapelle für ein außergewöhnliche Musikerlebnis.
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