Morton Feldmans Klaviertrio im elole-Konzert
Die Musik von Morton Feldman (1926-1987) ist anders. Was macht man mit Streichquartetten, die vier Stunden dauern? Mit Chorstücken, in denen sich ein Häuflein gehaltener Noten scheinbar „einfach“ ausnimmt? Oder eben dieses Klaviertrio aus dem Jahr 1980, dessen 90minütige Spieldauer in einem Satz Interpreten wie Zuhörer gleichermaßen herausfordert, sich auf eine Reise in den Klang, in den Einzel-Ton zu begeben? Wer sich von Konventionen, Vergleichen, Althergebrachtem verabschiedet und offen für neue Klangerlebnisse ist, ist beim elole-Trio gut aufgehoben, das damit schon zum zweiten Mal in diesem Jahr in Dresden konzertiert.
Die Messe als Aufführungsort ist neu im elole-Reisekalender, doch genau für solche außergewöhnlichen Ereignisse schien der moderne, verglaste Tagungsraum passend, auch in akustischer Hinsicht. Dass Feldmans Musik weder widerspruchsfrei in eine Minimalismus- noch Meditationsecke gestellt werden kann, demonstrierte elole mit zwei dem Konzert zugesellten Elementen – zum einen gab es da Computer, an denen die Zuhörer vor der eigentlichen Aufführung Modelle der Komposition selbst anordnen und wahrnehmen konnten, ein ungewöhnlich einfacher wie logischer Einstieg. Zum anderen musizierte elole das Trio gemeinsam mit dem Videokünstler Lillevan, selbst ein in der zeitgenössischen Musik höchst erfahrener Künstler. Auch dies erschien logisch und spannend angesichts der engen Verbindung, die Feldman zeitlebens zur bildenden Kunst pflegte. Die Aufführung war allerdings keinesfalls eine bebilderte Musik, vielmehr geriet das Trio durch die visuelle Komponente nun zum Quartett: eine weitere gleichberechtigte Stimme trat hinzu, die überdies in der Reduktion und Variation so nah an Feldmans Kompositionsprinzipien andockte, dass eine schillernde Harmonie aller Stimmen als Ergebnis hervortrat.
Diese allerdings kostet Kraft: den Interpreten stehen neunzig Minuten genaueste Partiturarbeit im stetigen akribisch ausnotierten Beinahe-Miteinander bevor, während der Zuhörer, gefangen in seinem eigenen Ohr, Versuche startet, wie diese Musik am besten wahrzunehmen sei. Es entstanden unterschiedliche Phasen der Konzentration – nach gut einer Stunde stellte ich sogar meine Sitzgelegenheit in Frage, nach weiteren fünfzehn Minuten fragte ich mich, ob ich noch in diesem Raum existiere oder nur die Musik eine Illusion sei. Am Ende bleibt es ein Experiment, Durchhänger und Jubel-Hören eingeschlossen, wenn man plötzlich entdeckt, mit welcher Schönheit ein einzelnes Pizzicato durch den Raum schwebt oder eine Phrase sich auspendelt ohne eine einzige Bedeutung als Ballast mitzuschleppen. Insofern, mit Abstand zur Darbietung, wirkte Feldmans Trio-Erlebnis als befreiendes visuelles und akustisches Ereignis, dessen Klarheit durch die Raum-Situation noch unterstrichen wurde.
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