Lang Lang im Recital in der Semperoper
Was macht eigentlich einen „Starpianisten“ aus? Die Suchmaschine Google hat längst verstanden, dass die Eingabe „Starpianist“ zwangsläufig zu Lang Lang führen muss und auch das Programmheft huldigt den chinesischen Star mit ganzen sechs Textseiten zur Biographie und aktuellen „angesagten“ Events. Doch hinter dem Wort „Star“ lauert unweigerlich der fahle Geschmack der Selbstinszenierung, die natürlich dazugehört, in so einem feinsinnigen Genre wie der Klaviermusik aber nicht nur Freunde findet. Lang Lang hat die Klaviermusik auf jeden Fall massentauglich gemacht – von der Qualität des Spiels des mittlerweile 29jährigen Pianisten konnte man sich nun in Dresden überzeugen.
In der ausverkauften Semperoper, wo Lang Lang am Sonntagnachmittag auf Einladung der Sächsischen Staatskapelle gastierte, war es durchaus bemerkenswert, dass sich jeglicher Rummel beim mit Blitzlicht-Cams bewaffneten Publikum abspielte, nicht aber auf der Bühne. Dort hieß die Maxime: klassisches Klavierrecital, und der fast bedächtige Auftritt des freundlich in die Runde lächelnden Pianisten schien zu sagen: „Ich spiele doch nur Klavier“. Die Programmauswahl vermied spätromantisches Donnerwerk – auch die Etüden von Frédéric Chopin taugen nur bedingt zu extrovertierten Schelmereien.
Lang Lang begann mit Bach, die erste Partita B-Dur interpretierte er mit leichter und klarer Gestaltung in den schnellen Sätzen und mit manchmal grenzwertiger Gefühlsbeladung in den langsamen. Lang Lang suchte oft zwischen staunender Detailverliebtheit und schnurrender Technik-Demonstration einen Ausgleich zu finden. Manchmal fehlte dabei aber Tiefgang und Übersicht – genau dies war die Hauptproblematik der Interpretation der B-Dur-Sonate von Franz Schubert, deren nachdenklich-verabschiedende Grundstimmung, erhabene Räumlichkeit und formale Eigenwilligkeit Pianisten vor große Aufgaben stellen. Dem kompletten ersten Satz widmete Lang Lang ein Piano, das oft verhangen und nebulös wirkte. Ist die Themengestaltung und Form bei Schubert ohnehin schon komplex angelegt, so verstrickt sich Lang Lang derart in eine Mystifizierung der Noten, dass nach dem fast zum Stillstand gelangenden 2. Satz Scherzo und Finale aus einer anderen Welt zu stammen scheinen. Hier gerät das Spiel von Lang Lang konventionell, mit Härte im Finale und einer phantasievollen Verspieltheit im Scherzo. Antworten auf den Problemfall Schubert gibt uns Lang Lang nicht mit, aber zumindest eine Menge Material zum Nachdenken.
Nach der Pause dann Chopin – hier ist der Pianist hörbar „zu Hause“ und hat im Spiel dieser Werke einen unbestreitbaren Reifegrad erlangt. Die Etüden Opus 25 gerieten zu einer wahren Demonstration von Können, Spielfreude, Flexibilität und vor allem rhythmischer Sorgfalt. Und dass auch ein Lang Lang zwischen den Etüden eine Zäsur braucht und nach der elften Etüde einmal heftig ausatmet – es zeigt uns, dass der „Star“ auch nur ein Mensch ist. Standing Ovations, eine sanfte Romanze von Liszt als Zugabe, dann war dieses Recital ganz starallürenlos vorbei.
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