Herbert Blomstedt leitete das Palmsonntagskonzert der Staatskapelle
Die nackten Zahlen beeindrucken: 10 Jahre, von 1975 bis 1985 stand Herbert Blomstedt als Chefdirigent am Pult der Staatskapelle Dresden, absolvierte 250 Gastkonzerte und leitete 130 Plattenaufnahmen. Nach Dresden nahm er Chefpositionen in San Francisco und Leipzig an – heute könnte sich Blomstedt in seiner Wahlheimat Schweiz eine ruhige Pensionszeit gönnen. Doch der bald 85jährige Dirigent wirkt dann am glücklichsten, wenn er in aller Welt mit seinen geschätzten Ensembles weiterhin große Musik interpretieren darf – und so kehrt er regelmäßig auch in die Semperoper zurück.
Ein kleines Jubiläum gab es hier (allerdings aus Termingründen diesmal am Sonnabend) zu feiern, das 8. Symphoniekonzert der Kapelle war gleichzeitig Blomstedts 10. Palmsonntagkonzert, das traditionell früher als Benefizkonzert musiziert wurde und immer aber programmatisch profiliert war. Blomstedt stellte zwei Werke gegenüber, die zeitlich nur vier Jahre auseinander liegen, deren gemeinsame Präsentation aber zu Lebzeiten der Komponisten undenkbar gewesen wäre.
Vielleicht war Johannes Brahms‘ Hölderlin-Vertronung „Schicksalslied“ mit Blomstedts Fingerzeig auch als poetische Gabe an Anton Bruckner gemeint, der wohl mehr als einmal über Schicksal und Vergänglichkeit nachgedacht haben dürfte. Die Werke blieben im Höreindruck in ihrem Gegensatz zwischen emotionaler Höhenfahrt und fast sportivem kontrapunktischem Intellekt unaufgelöst – das machte den eigentlichen Reiz des Palmsonntagskonzertes aus. Das „Schicksalslied“ legte Blomstedt mit großer Ruhe und samtweichem Klang an, der auch im Tutti niemals Schärfen erlangte. So durfte sich der Staatsopernchor (Einstudierung: Pablo Assante) mit exzellenter Piano-Kultur zeigen und zauberte gemeinsam mit dem Orchester unendlich scheinende Linien, die aus dem Nichts zu kamen schienen und dahin auch wieder verloschen. Hier betörte vor allem Rozália Szabós Flötenpartie, während die Streicher vielleicht auch wegen Blomstedts dynamischer Zurückhaltung nicht den intensivsten Zusammenklang zeigten.
Nach der Pause lud Anton Bruckners 5. Sinfonie B-Dur zu einem höchst anspruchsvollen Hörgenuss ein, konnte aber in Blomstedts Interpretation nicht immer befriedigen. Stark gelangen der erste Satz und das Adagio: Blomstedt legte – das gesamte Werk auswendig dirigierend – die Satzanfänge mit schwebender Schönheit und doch sorgfältiger rhythmischer Diktion an; so entstand eine flüssige, unaufgeregte und natürliche Musizierhaltung. Unverständlich jedoch waren manche Ungereimtheiten in der Tempoaufnahme und Reaktion des Orchesters wie auch in unerwartet stürzenden Übergängen zwischen kontrastierenden Teilen. Sicher muss man bei Bruckner nicht alle Extrema in Tempo und Dynamik ausfahren, doch besonders Scherzo und Finale fehlte eine zwingende, satzübergreifende Intensität des Ausdrucks, wofür auch in der Interpretation mehr Atem und Genauigkeit (etwa in den Choralpassagen des 4. Satzes) zuträglich gewesen wäre.
In manchen führenden Passagen demonstrierten die Streicher ein für die Kapelle ungewohnt enges Klangspektrum – diese Aufführung war nicht von allen zu jeder Zeit zur Bestform bestimmt, wofür eigentlich kein hör- oder sichtbarer Grund auszumachen war. Trotzdem: spannend und kontrastreich war die Wiederbegegnung mit dem „alten Chef“ allemal und das begeisterte Publikum zeigte mit stehenden Ovationen, dass Blomstedt die Tradition der Wiederkehr gerne fortsetzen soll.
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