Martin Grubinger & Friends im Eventwerk
Strömender Regen, strömendes Publikum – schnell wollten viele Besucher unter das schützende Dach des Eventwerks im Industriegelände gelangen, doch die Schlange der Menschen, die zum ersten Konzert der Musikfestspiele an diesem Ort Martin Grubinger erleben wollten, war lang. Wie nennt man ihn eigentlich? Schlagzeuger wäre tief gestapelt, Percussionist korrekt, Zaubertrommler wohl für das zu märchenhaft umschrieben, was sich da an Energien entlud.
Der junge athletische Österreicher ist als Klassikstar in aller Munde und verneint auch nicht wirklich, dass er den Rummel genießt, denn dafür übt er auch schon mal 15 Stunden am Tag. Wer allerdings im Eventwerk eine Ausgabe von „Menschen, Tiere, Sensationen“ erwartete, war im falschen Zirkuszelt. Grubinger ist längst soweit, dass er Dynamikpegel, Wirbelgeschwindigkeit und Anzahl der Instrumentenwechsel pro Sekunde nicht mehr öffentlich beweisen muss. Ein solcher Musiker macht im besten Falle das, was er will, und widmet sich intensiv der Musik und den Interpreten, die er mag.
So hieß das Konzert auch „Grubinger & Friends“ und wartete mit überraschenden Kammermusikarrangements auf. Im ersten Teil stand die komplette 15. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch in einer Bearbeitung für Klaviertrio und drei Schlagzeuger von Viktor Derevianko auf dem Programm. Die exponierte Rolle des Schlagzeugs kam hier gut heraus, der erste und dritte Satz „funktionierten“ in diesem Arrangement, allerdings fehlte der Bearbeitung trotz der feinfühligen Darstellung durch die Musiker die orchestrale Klangfarbe, was im 4. Satz zu einiger Verzerrung führte. Trotzdem zwang diese Lesart zum genauen Hinhören und führte das keinesfalls als Unterhaltung durchgehende Werk zu spannungsvollem Tiefgang.
Martin Grubinger stellte nach der Pause gut gelaunt Iannis Xenakis‘ Solo-Klassiker „Rebonds B“ vor und spielte die Zuhörer mit auseinanderdriftenden, archaischen Rhythmen erst einmal schwindelig. Verblüffend war die Gegenüberstellung dieses Werkes mit der von Roland Greutter fabelhaft dargebotenen 4. Violinsonate von Eugène Ysaye in den Korrespondenzen von Mathematik und Virtuosität. Und damit waren auch endgültig die Grenzen von Genres und Konventionen gefallen – die Musik war hier entfesselt und konnte für sich selbst sprechen. Statt für Leonard Bernsteins „West Side Story“ entschieden sich die Musiker für die musikalisch wenig aussagekräftige „Prism Rhapsody“ der japanischen Komponistin und Marimbaphonspielerin Keiko Abe, von Grubinger gefühlvoll und klangfarbenreich an der Marimba interpretiert, der Klavier-Orchesterpart mochte aber trotz des Einsatzes von Per Rundberg kaum überzeugen.
Am Ende kam es bei einem Astor-Piazzolla-Medley zum vom Publikum einhellig bejubelten Showteil: diese Tangos atmeten üppige Lebensfreude und schlicht eine Menge Spaß an der Musik, ebenso der zugegebene Ragtime „Look out little Ruth“ von Kurt Engel, bei der Grubinger parallel zu fliegenden Händen dann auch den Rhythmus in den Beinen entdecken durfte.
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