Grandioses Recital mit Hélène Grimaud
Das Klavierrecital mit Hélène Grimaud in der Semperoper galt schon im Voraus als ein sicherer Höhepunkt der Dresdner Musikfestspiele, weiß man doch um das Können dieser sensiblen wie charismatischen Künstlerin, die zweifelsfrei stets ihren eigenen Weg gesucht und beschritten hat. Über die Jahre hinweg kann sie so dem Zuhörer zum freundschaftlichen Begleiter werden – in der ausverkauften Semperoper erlebte das Publikum nicht weniger als einen grandiosen Klavierabend, in dem Hélène Grimaud an ihre eigenen Grenzen ging und dabei Energien freisetzte, die den Hörer nicht mehr von der Musik losließen.
Einmal eingestiegen in das jeweilige Werk, arbeitete sich Grimaud wie in einem zu behauenden Steinbruch durch die Noten, als gelte es sich mit den letzten Takten daraus wieder zu befreien. Das traf zu Beginn Wolfgang Amadeus Mozart, für dessen Sonate a-Moll KV310 Grimaud ein grimmiges beethoveneskes Plädyer ablieferte: mit eigenwilliger Charakterisierung im zweiten, kaum Ruhe anbietenden Satz; rasant, mit viel Risiko und einer beängstigend souverän durchgehaltenen Unruhe in den Ecksätzen, die aber so wie aus einem Guss gerieten.
Der so gegen den Strich gebürstete Wolferl verzieh gnädig, und Hélène Grimaud setzte das einmal angefachte pianistische Feuer dann in der Sonate von Alban Berg Opus 1 in einen Flächenbrand um: so ruppig und mit extremen Steigerungswellen hat man dieses Werk selten wahrgenommen. Statt in einer zerbröselnden Fin-de-Siècle-Skizze fand man sich hier inmitten von Aufbegehren und Wüten wieder, trotzdem wirkte Grimauds großbögige Anlage der Sonate verstanden und in ihren Energieschüben schlüssig.
Das Konzept einer durchaus risikoreichen Herangehensweise an die Werke des Abends hatte allerdings einen klaren Zielpunkt: Franz Liszts h-Moll-Sonate schien wie eine dunkle Wolke bereits über dem ersten Programmteil zu liegen. Der wohl aus akustischen Gründen in der Pause heruntergelassene Eiserne Vorhang verstärkte die Aura des Unwirklichen, Weltentrückten noch mehr und Grimaud setzte nun zu einem Höhenflug besonderer Art an: Atmend geriet die Themengestaltung, risikoreich und kraftstrotzend stürzten die Arabesken vorwärts, glasklar setzte sie das Fugato an – diese Sonate gestaltete Grimaud überragend als ein pianistisches Drama ohne Rückkehr, in dem es nichts zu verbergen, nichts zu vergeheimnissen gab.
Wollte hier schon der Applaus kein Ende nehmen, so erst recht nach den fast als eine tänzerisch-derbe Entspannung nachgegebenen „Rumänischen Volkstänzen“ von Béla Bartók. Dieses Recital zeigte Hélène Grimaud auf einer neuen, Höhe ihrer Kunst – und diese atmet Reife und ist höchst attraktiv.
Den meisten Zuhörern blieb allerdings verborgen, dass sie der diesjährigen Preisträgerin des mit 25 000 Euro dotierten Glashütte-Original-Musikfestspiel-Preises gelauscht hatten – die Preisverleihung fand erstmalig nicht im Konzert, sondern anschließend während eines Gala-Diners für Musikfestspielgäste und Sponsoren in der VW-Manufaktur statt. Grimaud erhielt den Preis für ihr soziales Engagement für das Internationale Kindercamp Sans Souci in Mecklenburg-Vorpommern und spendete den Preis auch für diese Einrichtung. Bereits im Dezember wird die Pianistin wieder in der Semperoper zu Gast sein – dann bei einem Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle.
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