„Missa Solemnis“ beim MDR Musiksommer in der Frauenkirche
Der MDR Musiksommer hat sich in Dresden rar gemacht. Wo früher sommers ganze Konzertreihen stattfanden, muss man nun mit zwei einzelnen Darbietungen in der Frauenkirche vorliebnehmen – dort finden Konzerte ohnehin jeden Sonnabend statt. Musikalisch bekommt Dresden in diesem Jahrgang allerdings zwei „Giganten“ der oratorischen Musikgeschichte ab – am 4. August dirigiert Hellmuth Rilling „H-Moll-Messe“ von Johann Sebastian Bach und am vergangenen Sonnabend erklang die Missa Solemnis von Ludwig van Beethoven.
Diese Aufführung bestritt der MDR Musiksommer bis auf die Solisten mit Kräften aus dem eigenen Haus und es war wohl auch eine besondere Herzensangelegenheit des Chefdirigenten des MDR-Chores, Howard Arman, dieses Gipfelwerk in der Frauenkirche selbst zu musizieren. Beethovens „Missa“ wirft bis heute viele Fragen auf und stellt die Interpreten vor nicht zu unterschätzende Herausforderungen – Fugen mit aberwitzigen harmonischen Fortschreitungen, schärfste Kontraste und ineinander verschränkte Themen und Rhythmen zeigen Beethoven auf der Höhe seiner Meisterschaft, aber auch in radikalster Modernität und kompositorischem Ringen, das auch heute noch spürbar ist.
Howard Arman ging es weniger um die Ausstellung der Extreme der Partitur; er bevorzugte einen weichen Gesamtklang mit deutlicher Themengestaltung, der auch im forte gut differenziert war. Der MDR-Chor folgt ihm da so kompetent, dass viele Nuancen zu Tage traten und auch im Agnus Dei noch Kraftreserven in allen Stimmen, die sich stets homogen und mit schöner zielgerichter Tongestaltung zeigten, vorhanden waren. Gewaltig ist diese Messe in der Wirkung, gewalttätig darf sie nicht sein, und damit lag Arman in der Dosierung richtig. Dennoch stellte sich nicht immer eine unmittelbar berührende Atmosphäre ein, wie sie etwa nach dem jubelnden Gloria-Beginn im scharfen Tempokontrast des „In Terra Pax“ entstand.
Vielleicht war einigen Sätzen eine zu bloßgelegte Architektur zu eigen (was aber bei diesem Werk ebenso fasziniert!), vielleicht aber auch erlaubte Arman dem Orchester zu wenig eigene gestalterische Kraft. Hier war eine Unschärfe zu bemerken, die mehrfach zu einem schwankenden Klangbild im Orchestersatz mit undifferenzierten Lautstärken und Tempi führte. Keinesfalls dürften eigentlich Armans klar gezeigte Übergänge zu derlei Irrungen führen, wie sie im solistischen Abschnitt des „Quoniam“ fast den Satz aushebelten. Sehr überzeugend gerieten jedoch die barock empfundenen Zwischenspiele im Sanctus und Benedictus, letzteres mit dem gut in den Satz integrierten Violinsolo. Das Solistenquartett gestaltete seine Partien souverän, aber recht unterschiedlich. So hatte Dara Hobbs nicht durchgängig die Kraft ihres Sopranes zeigen müssen, viel Kantables im leiseren Bereich blieb da auf der Strecke. Silvia Hablowetz (Mezzo) und Christian Elsner (Tenor) gefielen sehr gut, wobei Elsner viel mehr Legato hätte riskieren können. Ain Anger konnte sich nur im Solo behaupten, im Quartett war sein stets abgedunkeltes Basstimbre nicht wirklich überzeugend. Bei der insgesamt guten Textverständlichkeit fiel ein überzogen deklamiertes „Sanctus“ der Solisten doch arg aus der gerade gut entstandenen sanften Stimmung heraus.
In der Frauenkirche gab es großen Applaus für eine insgesamt sehr gute, vom sich in hervorragender Form präsentierenden MDR-Rundfunkchor getragene Aufführung, bei denen viele spannungsintensive Momente gerade des Ausmalens vorwärtsdrängender Gefühle zusammenkamen, jedoch im Zauber der Zurücknahme und des Innehaltens noch etwas Potenzial lag.
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