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Herausragend.

Christian Thielemanns Antrittskonzert als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden

Selten wohl wurde ein Ereignis von vielen Seiten so herbeigesehnt und so gründlich vorbereitet wie der Beginn der Konzertsaison 2012/2013 der Sächsischen Staatskapelle Dresden mit Christian Thielemann als neuem Chefdirigenten. Fast erleichtert ist man nun, dass die Spannung des „Noch nicht“ sich mit dem Antrittskonzert am Sonnabend in ein „Jetzt aber!“ löste. Dafür bedurfte es einer Inauguration der besonderen Art – das Antrittskonzert atmete eine feierliche Atmosphäre, für die Prise Mystik sorgte zudem die Auswahl der Werke, die Thielemanns und Dresdens „Götter“ Wagner und Strauss zwar offiziell vermied, aber dennoch waren beide in intelligenter Weise anwesend: Orchesterlieder von Hugo Wolf waren ausgewählt worden, einem Komponisten also, dem zwischen Wagner, Brahms und Mahler stehend ein nur kurzes schöpferisches Leben beschieden war, der aber in seinem Liedschaffen Schubert und Schumann weiterdachte und Strauss und Schönberg vorwegnahm.

In der überwiegend im intimen Klanggewand erscheinenden Auswahl von fünf Liedern nach Texten von Eduard Mörike und Johann Wolfgang von Goethe zeigte Thielemann gemeinsam mit der amerikanischen Sopranistin Renée Fleming seine Klasse im Ausgestalten scheinbar einfachster Sinnlichkeit. Wie bereits im ersten Lied „Verborgenheit“ durch Ruhe und Geborgenheit innerhalb der melodischen Phrase eine große Spannung entstand war hörenswert. Dies steigerte Fleming mit überaus warmer und strömender Stimme bis hin zur dramatisch bewegten „Mignon“ – das augenzwinkernde „Er ist’s“ eingeschlossen, bei dem der Frühlings-Tusch der Staatskapelle zur überschwänglichen Begrüßung für den Chef am Pult geriet. Weniger als Encore denn als tief bewegende Geste – die Staatskapelle und Thielemann widmeten das Konzert dem Gedenken an die verstorbene Intendantin Ulrike Hessler – erschien das Orchesterlied „Befreit“, Opus 39/4 von Richard Strauss, das den ersten Teil des Konzertes beschloss.

Dass sich Thielemann nach der Pause für ein sinfonisches Werk von Anton Bruckner entschied, war nicht nur nach den Liedern folgerichtig, sondern setzt auch eine schon jetzt zu schreibende Erfolgsgeschichte fort: Mit Bruckner sprang Thielemann 2009 „auf Brautschau“ bei der Kapelle ein und begeisterte damit in diesem Frühjahr erneut in Sonderkonzerten. Die großformatigen Werke sind höchst anspruchsvoll, vermögen dabei aber auch gerade die Interpretationsstärke eines Dirigenten bloßzulegen: die Bandbreite zwischen rasanter Lärmigkeit und auseinanderfallender Entschleunigung kann hier groß sein. Entscheidend ist jedoch die spezifische Ausformung des Klanges – Bruckners Sinfonien sind also dankbare Partituren für die Staatskapelle. Ausgerechnet in der lichteren, nicht immer klar verständlichen 7. Sinfonie E-Dur ist Thielemanns bei Wolf so kongenial nachzuvollziehende Huldigung der Singstimme als Konzept ebenso stimmig; der Dirigent wird zum Modulator der unzähligen strömenden Themen, der kleinen Nebenfiguren und sanft dahinströmenden Passagen der Hörner und Tuben, die gerade im Finale für sensationell schöne Klangerlebnisse sorgten.

Viel verständnisvoller Augenkontakt hatte in den ersten beiden Sätzen eine durchaus freie Lesart einiger Themendurchläufe zur Folge. „Rubato“ war das Zauberwort, das aber innerhalb natürlicher, von allen gemeinsam bestimmten Grenzen floss. Thielemann nahm das Adagio dann selbst in seinen „Moderato“-Teilen enorm langsam und geriet damit einige Male an eine Grenze – der Abgesang nach dem befreienden Höhepunkt bis zum weich verklingenden Schlussakkord hingegen war ein echtes Juwel. Im Scherzo gönnte sich Thielemann fast eine böhmische Leichtigkeit, während er die Themen des Finalsatzes klug aus der Rhythmik heraus mit unterschiedlichen Tempoflüssen gestaltete und wiederum im Tutti-Schluss trotz fortissimo ohne plautzende Gewalt auskam – dies beherrscht das Orchester exzellent. Nach dieser von Hochspannung auf allen Plätzen (auch im Publikum) bestimmten Interpretation war eine kurze Phase des Nachsinnens angebracht; Thielemann gewährte sie sich selbst und dem Auditorium, bevor sich tosender Jubel Bahn brach. Die stehenden Ovationen waren nicht nur Dank für ein herausragendes Konzert, sie waren gleichzeitig die lautstarke Bestätigung, dass Christian Thielemann in Dresden längst angekommen und willkommen ist und letztlich drücken sie auch die Hoffnung und freudige Erwartung auf viele weitere gemeinsame musikalische Erlebnisse aus.

[3.9.12]

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