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Wiener Sommerfrische und Emotionen in München

Staatskapelle Dresden und Christian Thielemann beenden Antrittstournee

Die letzten Töne des Antrittkonzertes von Christian Thielemann als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle liegen noch gut im Ohr. Nicht nur in Dresden wurde der Auftakt zur neuen Saison gefeiert, Thielemann und das Orchester begaben sich direkt im Anschluss des letzten Konzertes auf eine Tournee durch vier europäische Städte. Das Programm war minimal verändert und blieb an allen Stationen gleich: mit Werken von Richard Wagner und Anton Bruckner war garantiert, dass sich die Staatskapelle auch in den ausverkauften Konzertsälen an Rhein, Main, Donau und Isar von ihrer besten Seite zeigen durfte – Thielemanns vor allem die Klangausformung betonende Interpretation der 7. Sinfonie von Anton Bruckner erhielt ja bereits in Dresden großen Beifall.

Dieser steigerte sich auf der Tournee zu wahren Jubelstürmen. Bereits in der Alten Oper Frankfurt und in der Kölner Philharmonie lief das Orchester zur Hochform auf, weiterhin stand ein Besuch beim Musik-Festival im österreichischen Grafenegg und ein Konzert an Thielemanns ehemaliger Wirkungsstätte in München auf dem Programm. Dass das Orchester auch unter Open-Air-Bedingungen beste Kunst zu entfalten vermag, zeigte das Gastspiel in Grafenegg vor den Toren von Wien. Das Festival wird vom Pianisten Rudolf Buchbinder – in Dresden 2010/2011 durch seinen Beethoven-Zyklus bestens in Erinnerung – künstlerisch geleitet und liebevoll betreut. In Grafenegg geben sich neben dem residierenden Tonkünstler-Orchester die großen Orchester der Welt die Klinke in die Hand – für Thielemann war es eine Premiere, die Staatskapelle gastierte bereits 2010 dort. Neben der Funktion als vorzügliche „Sommerfrische“ für Picknick-Ausflüge im Schlosspark verfügt Grafenegg über den „Wolkenturm“, eine architektonisch ebenso faszinierende wie akustisch sehr befriedigende Open-Air-Konzertstätte – freilich nur bei gutem Wetter nutzbar, aber das hatten die Dresdner gleich mitgebracht.

Bei herrlicher Atmosphäre in der eintretenden Dämmerung zeichnete der neue Chefdirigent der Staatskapelle Richard Wagners „Vorspiel und Isoldes Liebestod“ aus „Tristan und Isolde“ mit akribischem Sinn für das Detail, immer aber den strömenden Klang im Auge behaltend. Dies zeichnete ebenso die Bruckner-Interpretation aus, für die die Dresdner in Österreich enormen Applaus erhielten. Das einen Tag später folgende Gastspiel am Gasteig in München war von besonderen Emotionen geprägt, und zwar auch, weil es das letzte Konzert war. Für das Orchester stellte die Serie von sieben Aufführungen eine dankbare Gelegenheit dar, an der Interpretation zu feilen und zum Ende noch einmal alles zu geben.

Dass das Konzert in München seit Wochen ausverkauft war, ist kein Wunder: groß ist die Gemeinde der Anhänger des ehemaligen Chefs der Münchner Philharmoniker und die Begeisterung für Christian Thielemann ist ungebrochen – schon der Begrüßungsapplaus überstieg das normale Maß deutlich. An Christian Thielemann gingen diese Emotionen nicht spurlos vorbei. Er schenkte den Münchnern mit der Staatskapelle eine spannungsgeladene und von vor allem samtig schillernden Farben geprägte Bruckner-Interpretation, zauberte auswendig vor allem in den dynamischen Registern mit vielen Nuancen und auch spontaner, immer aber organisch wirkender Gestaltung. Nach diesem in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Musikerlebnis brach ein wahrer Beifallssturm los, in dem sowohl die herzliche Gratulation als auch der Respekt vor der Leistung des Orchesters zu spüren war. Thielemann und sein Orchester machten bei dieser ersten gemeinsamen Tournee in den vier Musikzentren eine blendende Figur, und die Musiker waren während der Reise, das spürte man im Miteinander, stets offen, erwartungsfreudig und gut aufgelegt.

Damit ihn die Münchner nicht zu gar vermissen, stellte der Dirigent dort am Montag sein am 14. September im Handel erscheinendes Buch „Mein Leben mit Wagner“ vor. Es ist Thielemanns persönliche Widmung an den Jubilar des kommenden Jahres und stellt vor allem die musikalische Praxis in Bayreuth aus der Dirigentensicht vor; eine Audiobuch-Fassung (Lesung: Ulrich Tukur) mit Musikbeispielen erscheint Anfang Oktober.

(10.9.12)

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