Komik, Groteske und Humor beim Konzert von AUDITIVVOKAL in Hellerau
Wie ist das eigentlich mit dem Lachen? Da hüpft vor uns ein Clown auf und ab, und wir finden es runzeln nur die Stirn. Das Kind neben uns lacht sich derweil kaputt, die Oma schmunzelt leise. Lachen ist ein Urinstinkt des Menschen, viel zu selten lassen wir es in der angestrengten heutigen Zeit heraus. In Verbindung mit Musik und Bühne ist das Lachen differenzierter zu betrachten, der „gespielte Witz“ erreicht den Zuhörer über die Inszenierung, durch subtile Wort- und Musikspiele des Komponisten. Das Lachen erhält Zügel, Richtung und Ausdruck.
All diese Facetten konnte man am Sonntag im Konzert des Vokalensembles „AUDITIVVOKAL“ im Rahmen des Tonlagen-Festivals erleben. Das Ensemble feierte mit dem Projekt „Enkomikos“ gleichzeitig seinen fünften Geburtstag und ist in Dresden auf einem sehr hohen Niveau einzigartig in der Umsetzung neuester Vokalkompositionen in der vom Solo bis zur Achtstimmigkeit variablen Besetzung. „Komik macht oder entdeckt man, Humor hat man“, wusste schon Robert Gernhardt – und so konnte jeder Zuhörer die feinen Spielarten musikalischer Groteske für sich entdecken, angefangen beim „lachKaps“ von Hans-Joachim Hespos, der bereits vor dem Einlass der Zuhörer für gute Stimmung sorgte.
Jubilar John Cage kam mit Ausschnitten aus den „Song Books“ ebenso zu Ehren wie die „Unpolitische Rede“ von Karl Valentin. Sprachwitz, Gesang, Solo und Ensemble – dafür hat Ensembleleiter Olaf Katzer eine charismatische Truppe geformt und mit Sylvia Freitag (Regie) gelang eine kammermusikalisch-stimmige Inszenierung der Stücke, die auch die Wurzeln der Musik nicht verleugnete, wie etwa die Barbershop-Atmosphäre von William Brooks „Nellie was a lady“. Falk Joosts schöne Palindromkomposition „Die Liebe Tote Beileid“ (Uraufführung) war in seiner bildlichen Verstrickung ganz auf den Verlauf der Musik reduziert, während Cathy Berberians Solo „Stripsody“ (Maria Meckel, Sopran) den ganzen körperlich-stimmlichen Einsatz der Sängerin verlangt.
Hier wie an einigen anderen Stellen im Konzert hätte man sich eine passendere Lichtregie gewünscht, manchmal verschwomm die doch so wichtige Mimik in einem grünlichen Dämmerlicht. Carola Bauckholts „Nein Allein“ war im Nebeneinander zwischen Sprachspiel und konventioneller Komposition der schwierigste Beitrag zur Komikdebatte (Komik darf auch durchaus „seltsam“ sein!); mit Purcells deftig umgesetzten Madrigalen wurde dann der Beweis geführt, dass Absurdes nicht nur in unsere Gegenwart zu verorten ist. Im zweiten Teil des Konzertes stand dann als Uraufführung „kaps“ von Hans-Joachim Hespos auf dem Programm.
Hier wurde Komik endgültig als genüssliche Gratwanderung exerziert und erhielt durch die klare Kompositionsstruktur und vielerlei szenische Ideen einen choreographischen Charakter: Sänger bewegten, stürzten, schwankten in wechselnden Ensembles auf der Bahn einer Komik, die zwischen improvisierter Freiheit und bestimmtem, explosivem Ausdruck pendelte. Dabei gelang hier fast eine Abstraktion, in der die vielen Gesten und Szenen wie ein Katalog menschlicher und unmenschlicher Äußerungen wirkte – absichtsvoll „kippte“ mehrfach die Stimmung und die Untersuchung von Tragik/Komik, das „Alberne“ und unfreiwillig Komische lag hier nah beieinander. Das alles wurde vom Ensemble konzentriert mit hervorragender stimmlicher und schauspielerischer Leistung umgesetzt und somit war für einen hervoragenden Abend gesorgt, der viel mehr Theater denn Musik war, aber dies durchweg vergnüglich.
(8.10.12)
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