Christian Thielemann dirigiert Gedenkkonzert der Sächsischen Staatskapelle
Dem Dresdner Gedenktag am 13. Februar kann man in verschiedener Weise beiwohnen – ganz im Stillen zum Glockengeläut, zu Andachten, Kundgebungen und Demonstrationen. Neben der Stille kann eine adäquate musikalische Darbietung zu derartigen Anlässen emotional intensiv berühren. Wo angesichts der Unfassbarkeit von Geschehnisse Worte versagen oder wo Leiden eines Ventils bedarf, hilft und tröstet Musik uns seit Jahrhunderten, leitet die Gedanken und kann zurück ins Leben führen.
So sind in Dresden Requiem-Vertonungen bedeutender Komponisten traditionell Gegenstand der Konzerte zum 13. Februar. Die Sächsische Staatskapelle Dresden wählte in diesem Jahr das Requiem d-Moll KV 626 von Wolfgang Amadeus Mozart aus – ein zeitloses Dokument genialer Größe, wenngleich der genaue Blick auf die Noten und Entstehungsgeschichte bis heute noch einiges an Diskussion bietet – Mozarts Requiem ist unvollendet und die hier praktizierte Süßmayr-Fassung ist verbreitet, aber auch in letzter Zeit zumindest um einige Varianten bereichert worden. Chefdirigent Christian Thielemann liegt ein „neuer Mozart“ denkbar fern; aufführungspraktische Fragen oder Fassungsalternativen geraten nicht ins Blickfeld des Dirigenten, und für musikwissenschaftliche Diskurse ist das Podium an diesem Tag nicht bestimmt.
Doch fragt man sich nach dem Konzert, ob Thielemanns hier offenliegender konservativer Interpretationsansatz ein freies, heutiges Hören und damit eine Öffnung für die vielfältigen Emotionen im Werk ermöglicht hat – eine innerliche Bewegung, eine intensive Annäherung oder Identifikation mit der Musik war bei diesem Konzert schwierig zu erreichen. Es mag konzeptionell begründet sein, das Orchester nicht dynamisch zu reduzieren, wenn der Chor singt – die ersten drei Sätze wirkten auf diese Weise wie eine massive Wand, die auf den Zuhörer eindringt. Besonders angenehm erschien dieses von stets breit ausspielenden Streichern geprägte, kaum entspannte und historisierende Klangbild jedoch nicht – Thielemann verschiebt Mozart in eine Ausdruckswelt des 19. Jahrhunderts, wo er schlicht nicht hingehört. Viele Nuancen des Werkes gingen verloren, eine Themenausgestaltung mit Textausdeutung war zu wenig zu bemerken.
Christian Thielemann setzte in dem Werk viel mehr auf eine großbögige Satzspannung mit streng geführten, durchaus passenden Tempi in den Fugati. Erst ab dem Recordare griff Thielemann auch spontan stärker in das Geschehen ein und leitete die Streicher zu ausdrucksvollem Piano an. Spannungsvoll geriet das Insistieren im Lacrimosa, die erneute Übersteigerung der Dynamik bis zum fortissimo im Sanctus machte aber die Atmosphäre wieder zunichte. Der von Pablo Assante hervorragend einstudierte Chor der Staatsoper folgte Thielemanns Intentionen stets mit höchst professioneller Aufgabenerfüllung, hatte aber zu wenig Gelegenheit seine Potenziale zu zeigen – warum wurde etwa das Kyrie lediglich skandiert anstelle mit Zielpunkten und Emphase ausgefüllt?
Trotz vieler Fragen gab es in dieser Aufführung auch Genussmomente wie das vom Chor sehr empfunden vorgetragene Hostias , auch das aufmerksam und klangschön agierende Bläserensemble überzeugte sehr. Das homogene, mit dem Werk höchst vertraute Solistenquartett (Genia Kühmeier, Christa Mayer, Daniel Behle, Alastair Miles) brachte sich mit schlanker Stimmgebung ein und vermochte gut die Ruhepunkte zwischen den großen Chören zu bestimmen. Im in der Süßmayr-Fassung auf den Beginn verweisenden Lux Aeterna formte Thielemann eine Steigerung hin zur sehr gehaltenen Schlusskadenz, bevor das Auditorium der Musik noch einige Sekunden innerlich nachhören konnte und sich dann zu einer Gedenkminute erhob.
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