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Unter dem Brennglas

Rezital der Capell-Virtuosin Lisa Batiashvili

Um die Zukunft der klassischen Musik muss uns nicht bange sein – gerade bei den Instrumentalvirtuosen strebt eine jüngere Generation derzeit nach dem Olymp. Beständig werden jedoch kaum die Künstler sein, die über das beste Marketing verfügen, sondern stetig in ihren Interpretationen aufhorchen lassen. Die Georgierin Lisa Batiashvili (geboren 1979) ist einer der dieser hoffnungsvoll aufstrebenden Sterne – die Sächsische Staatskapelle konnte sich schon mehrfach von ihrem Spiel begeistern lassen und ernannte die Geigerin in dieser Saison zur Capell-Virtuosin.

Ein erstes Dokument dieser Zusammenarbeit war die CD-Veröffentlichung des Violinkonzerts von Johannes Brahms mit der Kapelle unter Leitung von Chefdirigent Christian Thielemann. Am Montagabend stellte sich die Künstlerin im ausverkauften Konzertsaal der Musikhochschule bei einem Violin-Rezital vor. Schubert, Liszt, Telemann, Beethoven – mit den Werken dieser Komponisten hätte man ein klassisches, möglicherweise „normales“ Konzert erwartet.

Doch die Werkauswahl und die Interpretationen verwandelten diesen Kammermusikabend zu einem außergewöhnlichen Ereignis, in welchem Wiener Klassik und romantische Seele mal reizvolle Verknüpfungen eingingen, mal scharfe Kontraste bildeten. Lisa Batiashvili, das war von den ersten Tönen der Sonate A-Dur von Franz Schubert an klar, muss die Temperamente der Werke nicht erst herauskitzeln, sich nicht lange einfühlen. Batiashvili ist mit dem Aufschlagen der Noten bereits eingetaucht und verläßt diese erst mit Aufbranden des Applauses wieder. Was manchmal wie ein Kokon wirkt, wie die Geigerin in völliger Ruhe den musikalischen Linien nachgeht, erscheint im Nachklang höchst überzeugend. So arbeitete sie auf völlig natürliche Weise mit dem flexiblen Klang ihrer ex-Joachim-Stradivari sowohl die Liedwelten der A-Dur-Sonate als auch deren kantige Faustschläge im Scherzo heraus.

Schubert erscheint auf diese Weise nah, realistisch und gleichzeitig erbarmungslos – bei Batiashvili erreicht ein forte eine unbarmherzige Kraft, so dass in Schuberts „Rondo brillant“ vor der Pause trotz des harmonischen Dickichts von atemloser Spannung getragen war. Kongenialer Partner dieses Spiels war der britische Pianist Paul Lewis – selbst ein hochgeschätzter Experte der Klaviersololiteratur zwischen Klassik und Romantik. Federleicht trug er Batiashvili durch das Programm, ein stetiges Geben und Nehmen intensivierte das Hörerlebnis. Lewis steuerte zwei späte Klavierstücke von Liszt („Unstern“ und „Schlaflos! Frage und Antwort“) bei, deren ebenfalls ausgestellte Ruhe in der Interpretation den Eindruck verstärkten: Romantik durch ein Brennglas betrachtet, hier sogar verstörend und erschreckend schnörkellos.

Nach der Pause bewies Batiashvili mit einer kurzen Telemann-Fantasie, dass sie auch für Barockes einen klar perlenden, unwiderstehlichen Tonfall besitzt, bevor Beethovens letzte Violinsonate G-Dur Opus 96 das Programm beschloss – und erneut war Zurücklehnen hier strengstens verboten, zog Batiashvili das Publikum mit astreiner Intonation und einer unglaublich sanglichen Bogenführung im Adagio in ihren Bann. Auch das Scherzo war hier statt in lässiger Entspannung in einer gestochenen Schärfe verfolgbar, das Finale geriet noch einmal zum mustergültigen Diskurs über die verschiedenen in der Sonate aufgestellten Temperamente. Mit zwei Zugaben verabschiedete sich die Virtuosin am Ende und hinterließ ein begeistertes Auditorium, das hier Kammermusik par excellence erleben durfte.

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