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Kein musikalisches Vergnügen

Staatsoperette Dresden gastierte mit einem Weill-Konzert in der Musikhochschule

An den Theatern wird vor Premieren oft ein Aberglauben zitiert, der besagt, wenn eine Generalprobe schiefgehe, werde die Premiere sehr gut. Eine Studie darüber steht aus, und in der Realität gibt es natürlich alle denkbaren Konstellationen. Sollte eine Generalprobe jedoch öffentlich stattfinden, so wäre die Deklaration als solche wünschenswert, um keine Erwartungen zu enttäuschen.

Zum Gastspiel der Staatsoperette Dresden im Konzertsaal der Dresdner Musikhochschule wurde „Ein besonderes Konzert“ annonciert, das einen Tag später als Abschlusskonzert des Kurt-Weill-Festes in Dessau gegeben wurde. Doch im Laufe des Konzertes wurde man den Eindruck nicht los, dass Dresden nur als flotte Durchgangsstation für Dessau benutzt wurde und die Leistung keinesfalls konzertreif war. Zudem kamen dramaturgische Probleme hinzu, die man leicht hätte vermeiden können: die ohnehin opulente Stückauswahl wurde um weitschweifige Moderationen – mit sämtlichen Geburtsdaten der Komponisten! – ergänzt, so dass allein der erste Teil des Konzertes eineinhalb Stunden dauerte.

Gänzlich desavouiert musste sich das Dresdner Publikum nach der Pause vorkommen, als der scheidende Chefdirigent Ernst Theis einen Suitensatz von Kurt Weill mit den Worten „Das können wir so nicht stehen lassen“ wiederholen ließ und zweimal mit dem Orchester ansetzte, um einen durch diesen Vorfall kaum verbesserten neuen Durchlauf zu präsentieren. Dabei traf die Musiker wohl die geringste Schuld, denn diese mussten sich für dieses Konzert offenbar sehr kurzfristig durch einen ganzen Berg von wahrlich nicht bekannten Noten gearbeitet haben. Schade war es eigentlich um das schöne Konzept des Abends, der Kurt Weill im Lichte seiner Wurzeln und musikalisch-geografischen Verbindungen zeigte.

Durchaus erhellend war die Verbindung Weillscher Erfolge der 20er-Jahre mit amerikanischen Broadway-Musiken von George Gershwin und Leonard Bernstein, mit dessen „Jefferson Sunday Luncheon March“ das Konzert auch seine quicklebendige Einleitung erhielt. Doch Gershwins Einakter „Blue Monday“ hätte auch im Ausschnitt präsentiert werden können und die der Stilistik von Igor Strawinsky nahestehenden Orchestervariationen von Marc Blitzstein, einem Förderer und Bewunderer von Weill, wirkten deplatziert, weil das schwer zugängliche Stück von Theis und dem Orchester auf einem kärglichen Stand der Erarbeitung und des Verständnisses befindlich war. Immer wieder war auch zu spüren, dass vor allem die Bläser kaum mit der Akustik des Saales zurechtkamen, Theis unternahm aber keinerlei Anstrengungen, um schneidend scharfe Trompeten zu sensiblem Spiel anzuleiten. Abstimmungsprobleme mit dem Orchester gab es selbst in den Berliner Theaterliedern – ein ums andere Mal holperten Tempi, wurde eben begleitet, „wie es gerade kam“.

Mit so einer Grundeinstellung hatten es die zahlreichen Solisten schwer, ihre Kunst über die Rampe zu bringen, völlig überzeugend gelang dies nur Olivia Delauré mit einer mitreißenden Interpretation der „Saga of Jenny“ aus „Lady in the Dark“ von Kurt Weill, an der auch der insgesamt sehr ansprechend musizierende Chor der Staatsoperette seinen Anteil hatte. Nach zweieinhalb Stunden wurden auch noch Radiomusiken der 30er-Jahre mit einem rekonstruierten Werk von Paul Hindemith in das Programm einbezogen, das war eindeutig zuviel des Guten. Wenn sich die Staatsoperette neben ihrem ehrenvollen und arbeitsintensiven Theateralltag solchen im Grunde sehr spannenden Sonderprojekten widmet, wäre doch mehr Sorgfalt in der Vorbereitung wünschenswert – eine angestrengte Probenatmosphäre für ein auswärtiges Gastspiel bereitet jedenfalls keinem Zuhörer wirkliches musikalisches Vergnügen.

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Veröffentlicht in Rezensionen

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