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Mit dem Charme der Seriösität

Konzert für „Sir Colin“ der Sächsischen Staatskapelle Dresden

Er war „der Sir“. In dieser freundlichen, freundschaftlichen Formulierung der Dresdner Musiker steckt Augenzwinkern und Verbundenheit, aber auch viel Wahrheit. Unmöglich scheint es, die Lebensleistung des britischen Dirigenten Sir Colin Davis in wenigen Worten zu erfassen, doch fest verankert sind viele tiefgehende musikalische Erlebnisse mit dem „Sir“. In den vergangenen über dreißig Jahren, in denen er der Sächsischen Staatskapelle – seit 1990 als Ehrendirigent – eng verbunden war, stand Davis oft und gerne am Pult des Orchesters, im Graben und auf der Bühne ebenso wie im Tonstudio und auf Tourneen.

Es war dem Orchester und der Semperoper, deren Ehrenmitglied Davis ebenfalls war, daher ein selbstverständliches, wichtiges Anliegen, Davis mit einem Konzert zu verabschieden. Am Himmelfahrtstag versammelten sich viele Musikfreunde, Weggefährten und auch ehemalige Staatskapellisten, um Davis zum Gedächtnis Worten und Musik zu lauschen.

Der 1983 geborene Robin Ticciati, der von Davis lange Zeit als Lehrer und Mentor begleitet wurde, leitete die Sächsische Staatskapelle in einem Programm, das bewusst kein Requiem enthielt, sondern das Publikum noch einmal nahe zu der von Davis geliebten Musik brachte. Viele Aufführungen von Kompositionen von Elgar, Berlioz und Mozart dirigierte Davis in Dresden, aber auch Beethoven, Schubert und Sibelius interpretierte er wiederholt. Orchesterdirektor Jan Nast benannte in seiner Begrüßung den „Charme der Seriösität“, den Davis ausstrahlte, und der in der langen Beziehung zur Staatskapelle von Beginn an den musikalischen Funken überspringen ließ. Solocellist Friedwart Christian Dittmann ließ die gemeinsamen Ereignisse Revue passieren und zeichnete das Bild eines stets wachen Geistes, der in den Proben nur wenige Worte benötigte und viel auf natürlichen Fluß der Musik und Zuhören im Ensemble setzte, aber in einer Zeit voller Umbrüche gerade vor und nach der Wende auch wichtige Impulse für die Entwicklung des Orchesters gab.

Der musikalische Funke, die enorme Spannung, die Davis vom ersten Ton an aufzubauen vermochte, war der Saatboden für eine musikalische Urgewalt, die der ehemalige Operndirektor Rolf Wollrad in seinen Gedenkworten benannte. Eine „Lichtgestalt“, die sowohl die Leichtigkeit des Mozart-Spiels förderte als auch ein neues Spektrum an Repertoire in die Kapellkonzerte brachte – nicht zuletzt auch in die Aufführungsabende des Kammermusikvereins der Kapelle. Der Kontakt ging natürlich oft weit darüber hinaus, als musikalischer Berater war er ebenso geschätzt wie als Förderer des Nachwuchses am Landesgymnasium für Musik oder in der Musikhochschule.

In Erinnung bleibt eine große Künstlergestalt, die – so schlicht es klingen mag – Glück und Freude mit der Musik verbreitete, nicht mehr und nicht weniger. Insofern war auch Robin Ticciatis fließender Ansatz für die Streicherserenade von Elgar, der „Szene auf dem Lande“ aus der „Symphonie Fantastique“ von Berlioz der Musik dienlich. Das Finale aus Mozarts letzter Oper „La Clemenza di Tito“ wurde berückend schön von einem Sextett um Tenor Daniel Behle (Tito) und dem Sächsischen Staatsopernchor musiziert. Der Lebensbejahung und Milde am Ende dieses Werkes hätte Davis hier nach der letzten Note ein sanftes Lächeln hinzugefügt – sein bescheidener Dank an die Musik, die stets im Mittelpunkt seines Wirkens stand.

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