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Kastilisches Liebesleid

Lieder zur Vihuela in der Hoflößnitz

Ab und an braucht es die kleinen, feinen Konzerte, die uns bewusst machen, dass wir uns mit unserer heutigen Musikrezeption doch allzusehr in vertrauten Gegenden aufhalten. Vor allem das 19. Jahrhundert ist in unserer heutigen Praxis präsent, die Werke der Meister werden gehegt und gepflegt. Das mag auch noch für das Barockzeitalter zutreffen, aber die Musik der Renaissance und früherer Zeiten belegt fast eine ähnliche Spezialposition wie die der Gegenwartsmusik. Es bedarf besonders ausgebildeter Musiker, der Aufführungsraum spielt eine nicht geringe Rolle und auch beim Hören erscheint das „Alte“ plötzlich seltsam neuartig.

In der Hoflößnitz ist solche Musik denkbar gut aufgehoben – die Kammermusikreihe bemüht sich seit 20 Jahren um Konzerte mit ebensolchen Darbietungen im intimen Rahmen des Saales im Lust- und Berghaus. In Kooperation mit dem Musikfestival „Montalbane“ gastierte am Sonntag die Sopranistin Maria Cristina Kiehr mit dem Vihuelisten Ariel Abramovich mit einem Programm kastilischer Musik des 16. Jahrhunderts. Die Musik der Vihuela, einem lautenähnlichen Vorläufer der Gitarre, war hochentwickelt und angesehen.

Die meisten Stücke des Konzertes stammten aus Manuskripten von Liederbüchern, wie sie von den Vihuela-Spielern in der Blütezeit des Instrumentes (um 1530-1580) gesammelt wurden – Villancícos, Romanzen und Cancíons, teilweise homophon, teilweise mehrstimmig (Stimme mit Begleitung) angelegt. Die Lieder sind ein einzigartiges Themenkompendium der damaligen Zeit – geistliche Musik ist ebenso vertreten wie schmerzvolles Liebesleid, Pastoralen und Burlesken. Maria Cristina Kiehr und Ariel Abramovich zeigten sich höchst vertraut mit diesem Repertoire, sie atmeten gemeinsam und gestalteten die zumeist einfachen Melodielinien mit Sinn für Ruhe und Tonentfaltung. Optimal konnte sich die warme Sopranstimme von Kiehr im Raum entfalten, auch die eher leisen Vihuelaklänge kamen dank Abramovichs Können gut zur Geltung.

Der vollbesetzte Saal schuf zwar die passende Atmosphäre, zwang aber auch zum häufigen Nachstimmen der Vihuela. Dass ein Großteil der Lieder einen abgrundtraurigen Inhalt hatte, machte das Konzert nicht weniger reizvoll („Ach wäre ich ein einfacher Schäfer geblieben, als mich in Dich zu verlieben.“). Schwierig erschien allerdings, dass in der Gesamtheit doch kaum eines der Stücke im Gedächtnis blieb (vom als Zugabe gegebenen „Las mis penas, madre“ abgesehen). Obgleich Komponisten wie Luis de Milán zu den ersten gehörten, die überhaupt Tempovorschläge zu ihren Liedern angaben, ist bei dieser Musik natürlich viel Freiheit in der Interpretation möglich.

Kiehr bettete viele Lieder in einen so sanften, von langsamer Diktion bestimmten Schönklang, dass man der Dramatik des Textes oft nicht mehr bewusst wurde. Dass der Ursprung vieler Lieder im Tanz liegt, brachten einige Solostücke für die Vihuela zu Tage, aber auch Abramovich zeigte einen eher unprätentiösen Zugang. Etwas mehr Kontrast in der musikalischen Abfolge hätte dem Konzert gutgetan, so blieb ein doch sehr beruhigter, aber durchaus spannender Eindruck von der kastilischen Musik des 15. Jahrhunderts erhalten.

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