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Chromatisch rinnt der Schweiß

Cembalokonzert von Wolfgang Kostujak in der Hoflößnitz

Angesichts von Außentemperaturen von 35 Grad am Sonntagnachmittag erwies sich der Ausflug in die Hoflößnitz – mit dem am Südhang gelegenen, kaum kühler temperierten Berghaus – als eine nicht alltäglich zu erlebende, extreme Erfahrung. Eine mutige, treue Schar von Besuchern fand sich dennoch im Saal zum Konzert ein und Hoffnungen, man würde sogleich musikalisches Hitzefrei bekommen, zerschlugen sich umgehend. Cembalist Wolfgang Kostujak übernahm die Moderation seines Konzertes und stimmte frohen Mutes auf einen Parforceritt durch barocke Literatur ein.

Thematisch überschrieben war das Konzert mit „Ars chromatica“ – ein weites Feld im 17. und 18. Jahrhundert, das aber durch Kostujaks pfiffige Werkauswahl zu einer höchst spannenden Reise durch feingeistige wie abenteuerliche barocke Welten geriet. Bildlich gedeutet erfuhren die herabrinnenden Schweißperlen aller Anwesenden des Abends eine passende Symbiose im musikalischen Thema – Hitzewallungen kommen von Claudip Monteverdi bis Alban Berg selten im diatonischen Gewande daher. Kostujak warnte denn auch vor einer zu erwartenden Rodelpartie seiner erwärmten Finger auf den Cembalotasten. Die Warnung erwies sich als unbegründet, denn in den folgenden neunzig Minuten erlebten die Zuhörer höchst inspirierte Musikalität, und jeder Ausrutscher wäre sowieso verzeihlich gewesen.

Vor allem ist hervorzuheben, wie Kostujak allen Stücken des Konzertes ihre eigene unverwechselbare Charakteristik in der Interpretation zuwies und dabei auch das Instrument in allen Spieltechniken weit ausreizte. Die sorgsam ausgearbeitete Fantasia von Jan Pieterszoon Sweelinck etwa spielte er mit maßvoller Klarheit, während Michelangelo Rossis „Toccata Settima“ (Kostujak bat das Publikum, „sich anzuschnallen“) von einem ungestüm hervorbrechenden musikalischen Irrwitz bestimmt ist, dessen Chromatik einen haltlosen Strudel, fast Schwindel erzeugt. Kostujak wählte dementsprechend rasante Tempi, strukturierte aber immer die großen Abschnitte so, dass man sich in markanten Themeneinsätzen oder plötzlichem harmonischen Schwenk wieder perfekt im Hören einfinden konnte.

Darin lag die Qualität dieses Konzertes, das natürlich – über Frescobaldi und Froberger, welcher unter Einbeziehung der Chromatik schon programmatische Geschichten zu erfinden wusste, die man eigentlich erst der späteren Opera Buffa zutraut – in Johann Sebastian Bachs Meisterwerken mündete. Dessen frühes „Capriccio über die Abreise des geliebten Bruders“ und die berühmte chromatische Fantasie und Fuge d-Moll spielte Kostujak mit unermüdlichem Gestaltungswillen und klarer Zielsetzung in allen Stimmen. Und was da als Herausforderung zu Beginn des Konzertes noch jedermann schweißtreibend erschien, war am Ende doch reichlich erfrischend und erhellend zugleich.

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Veröffentlicht in Rezensionen

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