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Von wegen Neuland und Tal der Ahnungslosen…

Manchmal braucht es ein bestimmtes Ereignis, um zu einer Erkenntnis zu kommen und die eigenen Verhältnisse neu einordnen zu lernen. Sicherlich gibt es statistische Erhebungen, wie gut Dresden über Social Media vernetzt ist und dies auch nutzt (würde mich mal interessieren), aber vor allem wird einem der Wert klar, wenn man etwa ein Großereignis wie die Flut in diesem Jahr rückwirkend betrachtet. Das wurde hier schon von den Medien und auch der Stadt bzw. den Hilfsorganisationen ausgewertet . Meine persönliche Einschätzung war, dass gerade Twitter und facebook für eine rasante Informationsverbreitung sorgte, die aktive Hilfe zum Ziel hatte – dass dies auch Diskussionen und neue Probleme, etwa die Schwierigkeit der Prüfung des Wahrheitsgehaltes oder den Umgang mit einem „Hype“, aufwirft, ist klar.

Ich will heute eher zeigen, dass wir in Dresden eigentlich ein bißchen im Schlaraffenland leben, wir wissen es vielleicht nur noch nicht richtig oder gehen (typisch Dresdner) davon aus, es sei überall so – doch der Tellerrandausblick belehrt uns angesichts eines Fallbeispieles: die Welt darf auch ruhig mal zu uns gucken. Das Ereignis von gestern abend: ein Stromausfall in meiner Heimatstadt Wuppertal – eine Stadt einer Größenordnung, die zumindest bis vor ein paar Jahren noch (W schrumpft, DD wächst) annähernd eine ähnliche Einwohnerzahl hatte.

Es war durchaus keine Bagatelle, sondern in einem Umspannwerk in Wuppertal-Hahnerberg sind offenbar Trafos/Schaltkästen explodiert, daraufhin war die gesamte Südstadt mit Küllenhahn und Cronenberg (meine Schätzung: ca. 50000 Bewohner) mehrere Stunden ohne Strom. Einige Straßen bekamen erst Sonntag früh gegen 5 Uhr wieder Versorgung. Ein Foto den Hang hinauf zeigte gestern abend einzig die Universität als Lichtpunkt, drumherum war alles schwarz.

Da ich noch Verbindungen in meine Heimat habe, habe ich also den üblichen Informationsbeschaffungsweg (heute morgen um 7 Uhr) eingeschlagen und liste einmal auf, was sich dort zum Begriff „Stromausfall Wuppertal“ ansammelte oder auch eben nicht:

– Google benannte eine Quelle, nämlich eine besorgte Privatanfrage aus http://gutefrage.net (hey, ist bei euch auch der Strom weg?)
– Google News – Fehlanzeige, keine Zeitung, kein Onlinemedium, keine Agenturmeldung – um 9.40 meldet das unabhängige Portal njuuz.de als erstes das Ereignis, das nun schon 12 Stunden alt ist.
– facebook
– a) der Lokalsender Radio Wuppertal hat als letzten Eintrag „Ein tolles Herbstwochenende in Wuppertal…bla“ – da die Seite keine Eigeneinträge von Personen zuläßt, findet man in der Kommentarspalte zum Schönwettereintrag dann die aufgeregten Bürger, die zum Stromausfall nachfragen. Vom Radio selbst bislang kein Kommentar dazu. Das Radioprogramm selbst dudelt mit der Morgensendung vor sich hin – Wochenende = Feierabend.
– b) die WDR-Sendung Lokalzeit Bergisch-Land mit eigener
facebook-Seite scheint das einzige Medium zu sein, das „drauf“ ist. Via Handy meldet die facebook-Seite um 22h gestern den Stromausfall und verspricht „wir melden uns“ und „wir halten euch auf dem Laufenden“. 7 Statusmeldungen bis tief in die Nacht, und die Betroffenen melden sich ebenfalls auf der Seite, danken heute morgen für die schnellen Infos.
– c) die Westdeutsche Zeitung hat Wochenende. Null Meldung bis jetzt. Keine Einträge auf der Pinwand möglich.
– d) weitere Seiten wie z.B. „We love Wuppertal“ sind Privatinitiativen, aber auch hier wird lediglich erstaunt festgestellt, dass der Strom weg ist, keiner weiß recht, warum.

Wenden wir uns Twitter zu.
Gegen 21.35 melden die ersten User einen Stromausfall, später „ganze Südstadt dunkel“. Die Twittersuche ergibt bis heute morgen eine ganze Reihe von Beobachtungen privater Personen, aber keinen einzigen Tweet einer öffentlichen Institution wie Stadt, Stadtwerke, Feuerwehr, Medien. So bleibt es den Bürger-Twitterern überlassen, vor Gefahren in der Dunkelheit zu warnen („Achtung, es haben sich bereits Unfälle ereignet“) oder zu informieren („Tunnel wurde gesperrt“). Privat betriebene Seiten oder Blogs wie „http://Tal-Journal.net“ schalteten sich in die Diskussion ein, sind aber ebenso überrascht wie uninformiert und sitzen zudem nicht an der Quelle der Nachricht („Sonnborn hat Strom und wir nutzen ihn“).

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Und da wird es langsam erschreckend. Denn offenbar ist Wuppertal in wichtigen social-media-Belangen – nomen est omen – zappenduster. Was mir schon beim Vergleich der Wuppertaler Stadtwerke (die auch Verkehrsbetriebe sind) mit der DVB AG auffiel, wird hier zur Gewissheit: Wenn kein Bus fährt, fährt eben keiner, wozu soll man da noch den Technikschnickschnack benutzen? Die Ausfälle der WSW sind seit längerem schon Thema in der Presse, und an der Haltestelle steht man sich die Beine in den Bauch.

Ein Vergleichsfazit ist natürlich mit Vorsicht zu ziehen, denn da gibt es zu viele Faktoren, und die Äpfel-Birnen-Kiste ist zu nah. Die Dresdner scheinen mir aber sehr viel offener und kreativer im Infomanagement per Web zu sein, was in Wuppertal wohl am fehlenden Geld/Personal als auch an Ideen/Initiative scheitert. Vielleicht sind wir hier drüben auch einfach gewappneter durch zweimaliges Hochwasserunbill und lernen, aktiver im Alltag mit den Instrumente der Gegenwart umzugehen? Der Nutzen ist immens, das sollte sich auch langsam mal wieder in den Städten herumsprechen, zu denen wir einst neidisch auch eben wegen der hochentwickelten Technik herüberblickten…

Edit:
Der Blogbeitrag kann natürlich auch nur meine splitterhafte Fernsicht per Web widergeben und darf gerne per „Augenzeuge“ korrigiert werden. Hier einige Nachträge und Links:
– die WSW informierte per App über den Feuerwehreinsatz
– die Polizei informierte heute morgen per Pressemeldung
– dpa meldete etwa gegen 10 Uhr (z.b. via derWesten), die WZ zog gegen 12 Uhr nach.
– Blogeintrag bei psychomuell.de

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