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Auf dem Weg zu sich selbst

Philharmonie-Konzert in der Frauenkirche mit Wagner und Bruckner

Wagner und Bruckner – das Aufeinandertreffen dieser beiden Komponisten im Konzert birgt immer Spannung in sich, denn was da oft vorschnell in die Schublade musikalischer Romantik sortiert wird, kann nicht so einfach zusammengebracht werden. Zu unterschiedlich sind die Persönlichkeiten, Biografien und Werke. Mit einigem Staunen verfolgte Bruckner das bewegte Leben des Opernrevolutionärs – selbst im Alter von 50 Jahren gerade auf dem Weg der künstlerischen Emanzipierung und in Wien leidlich als Lehrer akzeptiert, reiste Bruckner 1873 mit zwei Sinfonien im Gepäck auf eigene Faust nach Bayreuth, um eine Dedizierung seiner Stücke an den Meister vornehmen zu können.

Fortan nannte er seine 3. Sinfonie d-Moll „Wagner-Sinfonie“. Jedoch nutzte das Vorbild wenig – das Stück fiel bei der Uraufführung durch; wie viele seiner Sinfonien landete das Stück zur Überarbeitung erneut auf Bruckners Schreibtisch. Angesichts der enormen Schwierigkeiten des Komponisten, die ersten fünf Sinfonien überhaupt Orchestern und Dirigenten schmackhaft zu machen, kann man die Entscheidung der Dresdner Philharmonie, der „Dritten“ Wagners „Tristan-Vorspiel“ an die Seite zu stellen, nahezu als keck empfinden.

Im ersten Philharmonie-Konzert dieser Saison in der Frauenkirche leitete Michael Sanderling das Werk mit guter Kontrolle über Tempo und Fluss der Musik, sodass auch im forte stets ein warmer und gedeckter Klang bestehen blieb. In der Mitte des Konzertes, mehr als Intermezzo denn als Verbindung zu Bruckner wirkend, stand eine Preziose der Wagner’schen Amtsausübung als Hofkapellmeister in Dresden, die auch die Pflege der Kirchenmusik einschloss. Es war üblich, Werke alter Meister ins romantische Gewand zu kleiden, wiesen doch die alten Handschriften kaum Hinweise zur musikalischen Ausführung auf. Heute dürfte Palestrinas achtstimmiges „Stabat Mater“ in Wagners „Interpretationspartitur“ kaum eine andere Absicht als die der Dokumentation haben. Fast schon dankbar war man daher für die nicht frontale Aufführung durch den Philharmonischen Chor (Leitung Gunter Berger), der die Rotunde der Kuppel wählte und damit die Distanz körperlich erfahrbar machte. Nichtsdestotrotz war die Aufführung selbst sehr ansprechend und das Stück durchhörbar angelegt.

Bruckners 3. Sinfonie d-Moll schloss sich direkt an – anders als im stetig vorwärtsstrebenden Tristan-Vorspiel herrschen hier starke Kontraste, Abbrüche und oft auch eine gewisse Ziellosigkeit vor, was eine klare Richtung für eine Interpretation erschwert. Das Scherzo ist hiervon ausgenommen – dessen klare Gesetzmäßigkeiten brachte Sanderling schön zur Geltung. Für die anderen drei Sätze entschied sich der Chefdirigent für ein Konzept vieler genau ausgearbeiteter Momente, gleichsam wechselnder Landschaftsbilder, die immer wieder genau betrachtet werden. Das überzeugte bei diesem Stück außerordentlich und wurde auch dankbar von den Musikern aufgenommen, die in dieser ruhigen Führung gut ausmusizieren konnten, wobei Sanderling dem Stück in diesem Raum genug Luft in den Pausen gab und zu schnelle Tempi vor allem im Eingangssatz vermied. Die Klarheit des philharmonischen Spiels (exemplarisch sei das Hornquartett zu nennen) führte nicht zur Mystifizierung – dies war ein durchaus irdischer Bruckner, noch auf dem langen Weg der sinfonischen Selbstfindung befindlich, dennoch schon voller musikalischer Schönheiten.

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