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Kraftvoll freigespielt

Widmann und Bruckner mit der Dresdner Philharmonie in der Kreuzkirche

Auf ihrer langen musikalischen Reise durch die Stadt befindlich fand sich die Dresdner Philharmonie am Sonntagabend zum Konzert in der Kreuzkirche ein. Sinfonien von Anton Bruckner sind in diesem Raum gut aufgehoben – mit der australischen Dirigentin Simone Young, die schon mehrfach bei der Philharmonie gastierte, stand auch eine Spezialistin am Pult, die Raumklang und Charakteristik der Partitur zu verbinden wusste. Zuvor gab es einen zeitgenössischen Prolog, der zu Bruckners lichtestem Sinfonieopus nur als Kontrast verstanden werden konnte.

Jörg Widmann ist in Dresden ebenfalls ein gern gesehener Gast und präsentierte sich als Interpret seines eigenen Werkes „Elegie für Klarinette und Orchester“ aus dem Jahr 2006. Diese Aufgabe erfüllt er weniger aus Notwendigkeit denn aus Leidenschaft, denn Instrumentalist und Komponist inspirieren sich hier gegenseitig. Der Aufführung war anzumerken, dass spontan vor allem im Bereich des Timbres gearbeitet wurde. Dynamik und Tempo wurden stets genau justiert, um Echowirkungen und Überlagerungen zu erzeugen. Die letzten Geheimnisse einiger Details vor allem in leisesten, schnellen Passagen der Soloklarinette verschluckte der Raum dann leider dennoch. Irritierend mutet Widmanns Tonsprache in diesem Werk an: zwischen avancierten Geräuschklängen und Neoromantik wähnt man sich auf einem schwankenden Boot, findet aber eine Antwort, wenn man diese Elegie als Summe verschiedenster Empfindungen deutet.

Die 6. Sinfonie in A-Dur von Anton Bruckner hat ein merkwürdiges Schicksal erlitten. Zu Lebzeiten des Komponisten wurde sie nie komplett aufgeführt, obwohl Bruckner, nach mehrjähriger Schaffenspause in gesicherter Stellung befindlich, sich nun endlich wieder an eine große Partitur gewagt hatte. Auch heute findet sich das Werk selten in den Konzertplänen; eine gewisse Introvertiertheit ist der Sechsten nicht abzusprechen, anders gesagt: die Schönheiten wollen entdeckt werden. Simone Young sorgte bereits im 1. Satz für einigen vorwärtsgerichteten Schwung, der aber noch einige Male von leicht nervös ausfallenden Übergängen beeinträchtigt wurde. Das legte sich im empfunden ausmusizierten Adagio, in welchem Young ganz klar auf eine fast kammermusikalische Lyrik setzte; damit unterschied sie diesen Satz auch deutlich von ihren ungleich gewaltigeren Partnern in anderen Sinfonien.

Schön war auch die Ausgestaltung des Scherzos, das mit einem sehr legeren Trio und insistierenden Pulsationen an den äußeren Enden aufwartete. Das Finale wurde von Young klar im Tempo bestimmt und durfte sich dynamisch frei und mit natürlicher Kraft entfalten. Die Philharmoniker beantworteten die angenehmen Zeichen vom Pult mit guter Homogenität vor allem im Tutti-Spiel – für diese lebendige und facettenreiche Bruckner-Aufführung gab es starken Applaus.

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Veröffentlicht in Rezensionen

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