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Zweimal Schönberg – mindestens!

„Dresdner Abend“ der Philharmonie im Hygienemuseum

Im Reigen der Konzerte der Dresdner Philharmonie besitzt die Reihe der „Dresdner Abende“ im Saal des Hygienemuseums ein besonderes Flair. Schon vom zweckmäßigen, aber akustisch für diese Programme sehr passenden Raum her herrscht an eine konzentrierte Atmosphäre vor, die es ermöglicht, beim Hören tiefer in die Werke einzudringen und sich nicht ablenken zu lassen. Konzertmeister Wolfgang Hentrich und das Dresdner Kammerorchester gestalten hier zum Beispiel Programme, die zurückweisen auf eine bewegte Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Mit dem Verweis auf Erwin Schulhoffs „Fortschrittskonzerte“ war der Dresdner Bezug gegeben, in diesen wurden viele neue Werke ur- oder erstaufgeführt.

Das Konzert wurde von Arnold Schönbergs 1. Kammersinfonie Opus 9 gerahmt. In der kurzen Einführung verwies Hentrich vielleicht ein bißchen zu oft auf die skandalöse Uraufführung 1907, bei der es zu Rangeleien im Publikum kam, so dass ihm schließlich Dirigent Michael Helmrath widersprach: heute sei man doch ganz andere Klänge gewohnt und Schönbergs Qualität als Romantiker sei in eben diesem Stück genauso hörbar. Die Auseinandersetzung mit der Musik, die im Philharmoniekonzert daher von vornherein erwünscht war, kam 1907 als Wirkung zustande. In einer Verlautbarung ist zu lesen, dass „der Besitz der Eintrittskarte nur zu ruhigem Zuhören, nicht aber zu lauten Meinungsäußerungen (Applaus oder Zischen) berechtige“. Da lächelt man heute verschmitzt, denkt aber auch über ein Publikum nach, das heutzutage gern das Neue reichlich unkommentiert mit nach Hause nimmt. Dass die Kammersinfonie im Konzert zweimal gespielt wurde, wurde als Experiment angekündigt – es sollte sich für viele Stücke eignen, deren besondere Dichte und Farbigkeit sich nicht immer sofort erschließt. Den Hörvorgang betrachtend, sei die Musik doch eine vergängliche Kunst, so Helmrath. Warum aber sollte man es immer bei diesem spontanen ersten Erlebnis belassen und nicht ein zweites hinzufügen?

Dem Zugang des Chefdirigenten der Brandenburger Symphoniker (der das komplette Konzert auswendig dirigierte!) zu diesem Werk konnte man sich schon bei der ersten „Runde“ kaum entziehen: mit den von Helmrath gut abgenommenen straffen Tempi und einem füllig-selbstbewussten Gesamtklang wusste das Kammerorchester sehr zu begeistern und schaffte es, in den Instrumentengruppen transparent zu bleiben – die fünf Streichinstrumente kamen gut zur Geltung, ebenso wurde die motivische Arbeit des Werkes gut in den Vordergrund platziert. Der spätromantische Einfluss ist in diesem Stück (kurz nach „Pelleas und Melisande“ entstanden) kaum zu leugnen – Helmrath setzte melodiöses Schwelgen und geschärfte harmonische Vorgänge direkt nebeneinander und belebte damit das Stück außerordentlich.

In der Mitte des Konzertes standen dann zwei Streichorchesterwerke von Othmar Schoeck und Franz Schreker. Beide haben auf ihre Weise die Dur-Moll-Tonalität bis an die Grenzen ausgereizt und dabei ihre eigene charakteristische Tonsprache entwickelt. Die Auswahl der „Sommernacht“ von Schoeck und dem „Intermezzo und Scherzo“ Opus 8 von Schreker bildete – so angenehm diese Stücke auch im Ohr klingen mögen – im Ergebnis dann doch einen seltsam harmlosen Kontrast zu Schönbergs Schlüsselwerk, das in zweiundzwanzig Minuten Musik nahezu mit einer ganzen Epoche aufräumt.

Das konnte man dann zum Beschluss des Konzerts dann erneut erleben, vielleicht nun noch einen Tic aufregender in der Interpretation, denn die Spannung zum Ende eines Konzertes hin ist noch einmal verschieden. Zu wünschen bleibt, dass solche außergewöhnlichen Abende, die eben auch Beziehungen und Zusammenhänge der Musik erhellen, viel mehr Zuhörer finden – es sei versichert, dass selbst der gute alte Beethoven ganz anders und neu klingt, wenn man sich einmal durch Schönberg „durchgearbeitet“ hat.

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