Jubiläumskonzert „40 Jahre Studio Neue Musik“ an der Hochschule für Musik
Institutionen und Ensembles der zeitgenössischen Musik sind oft von Fluktuation und Wandel geprägt, wie sich eben auch die Kunst der Zeit auf natürliche Weise verändert und verästelt. Doch es gibt auch feste Säulen in der Musikvermittlung, deren Anspruch und Wille stark und auch über die Zeiten hinweg nützlich ist. Dazu gehört das „Studio Neue Musik“ an der Dresdner Musikhochschule, das in diesem Jahr sein 40jähriges Bestehen feiert. Nicht mehr und nicht weniger als lebendige Musikgeschichte schreibt diese Institution seit vier Jahrzehnten und ist dabei als studentische Initiative entstanden. Der Wunsch, sich mit aktuell entstehender Musik praktisch auseinanderzusetzen und damit, trieb damals den Komponisten und Dirigenten Christian Münch um und er stieß auf offene Ohren.
Lange Zeit wurden die Konzerte als Gesprächskonzerte durchgeführt, später dann in den Hochschulbetrieb selbstverständlich integriert. Führen an anderen Hochschulen in der Bundesrepublik solche Studios oft ein elfenbeinturmähnliches Dasein im musikwissenschaftlichen Hinterzimmer, so ist es Christian Münch zu verdanken, dass kaum eine Partitur, die beflissene Studenten oder Komponisten ihm zur Einstudierung vorlegten, nicht realisiert wurde. Dabei entstand über die Jahre eine – hoffentlich auch dokumentierbare – enorme Menge an Ur- und Erstaufführungen.
Weltweit beachtete Komponisten, die als Gäste an der Hochschule weilten, bekamen und bekommen durch das Studio Neue Musik zumeist ein Kammerkonzert, in dem sich die Studenten praktisch mit der Musik auseinandersetzen. Nicht unerwähnt bleiben darf auch, dass aus dem Studio heraus Studenten erst Feuer und Flamme für die zeitgenössische Musik fingen, sich Ensembles bildeten und Synergien in alle Fachbereiche dringen. Das Jubiläum des Studios wurde mit einem Konzert gewürdigt, das lediglich einen feierlichen Charakter vermissen ließ – stattdessen zeigte man in bescheidener Weise den gewohnten und geschätzten Ethos praktischer Arbeit.
Das Konzert im kleinen Saal der Hochschule präsentierte Kompositionen, die allesamt keinesfalls „nebenbei“ realisierbar sind und neben den instrumentalen Fertigkeiten auch gehörigen Mut zu intensivstem Ausdruck und zur Grenzüberschreitung benötigen. Das Trio für Oboe, Cello und Klavier (1979) von Georg Katzer als eine auch rhetorisch klangmächtige Auseinandersetzung mit Versen von Arthur Rimbaud forderte Yung-Hung Chang, Edyta Stomska und Jingshan Cheng enorm. Ernst Helmuth Flammers kurzes Klavierstück „Habanera“, von Richard Röbel zwingend interpretiert, bot dem Ohr da eine kleine Entlastung.
Denn mit zwei weiteren Stücken von Christian Münch und Friedrich Schenker waren die Zuhörer erneut gefordert, gewohntes Hörterrain zu verlassen. Münchs „bleiben (1)“ für zwei Posaunen und Tuba steckt einen geschlossenen musikalischen Raum ab, in dem man sich hörend verlieren muss, weil die Suche nach Motiven oder Kontrasten scheinbar aussichtslos bleibt – der installative Charakter einer Musik, die schlicht „anwesend“ ist, tritt in den Vordergrund und stellte die Interpreten Christoph Petzold, Darius Mütze und Albrecht Gehring vor eine fast pausenlos tönende, besondere Herausforderung.
Friedrich Schenkers 1978 entstandene Ensemblemusik „Hades di Orfeo“ führte zum Ende des Konzertes titelgemäß konsequent in den Abgrund – viel Gesang bleibt dem armen Orpheus angesichts der mit viel Schlagzeug und halbszenischen Aktionen demonstrierten Schreckenswelt da nicht mehr. Dirigent Andrea Barizza leitete die Studenten zu einer konzentrierten und klanggewaltigen Aufführung an, in der ab und an einige kleinere Formationen und ein formidables Kontrabass-Solo differenzierten einen Halt beim Hören ermöglichten. Das letztgenannte Werk war wiederum ein aus studentischer Initiative entwickeltes Projekt. So reichhaltig die zeitgenössische Musik sich darstellt, so ehrenwert ist Christian Münchs langjähriges Engagement mit dem „Studio Neue Musik“ zu würdigen. Zeitgenössische Musik macht auch zukünftig nur Sinn, wenn man sich ihr aufmerksam und ernsthaft widmet und sie – nach sorgfältiger Erübung – erklingt.
(30.4.14)
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