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Grenzüberschreitungen in Ost und West

elole-Klaviertrio im dritten Konzert der „Einstürzenden Mauern“

Wie war das eigentlich mit der Musik vor der Wende? Lassen sich da verläßliche Aussagen treffen, wie sich die zeitgenössische Musik im Osten wie im Westen „nebeneinander“ entwickelt hat? Eine musikhistorisch eindeutige Antwort ist kaum zu entwickeln, da viele verschiedene Handschriften und Umgebungsbedingungen die Musik der Zeit prägten. Dass sich in der Gattung des Klaviertrios, um das etliche Komponisten des 20. Jahrhunderts immerhin aus rezeptionellen Gründen einen Bogen machten, Tradition und Experiment nicht ausschließen, zeigte das dritte Konzert der Reihe „Einstürzende Mauern“ zum 25. Jahrestag des Mauerfalls, veranstaltet von KlangNetz Dresden im Hygienemuseum.

Dort erkundet man für die Kooperation nun verschiedene Säle für Musikalisches, das Dresdner Klaviertrio „elole“ gastierte im „Kleinen Saal“, der zwar in Größe und Akustik für solche Gelegenheiten überzeugt, aber in der nackten Kubus-Ästhetik und kaum vorhandener Belüftung nicht unbedingt ein wohliges Gefühl erzeugt. Uta-Maria Lempert (Violine), Matthias Lorenz (Cello) und Stefan Eder (Klavier) sind seit nunmehr 13 Jahren sehr rührig im Spannungsfeld der zeitgenössischen Musik in dieser „klassischen“ Besetzung unterwegs. Dementsprechend wusste man die Kompositionen von Fritz Geißler, Georg Katzer und Bernd Alois Zimmermann in guten Händen. Musikalisch ergab sich da eine Linie der Grenzüberschreitung, vielleicht auch „Einreißung“ gewohnter Hörkonventionen.

In Fritz Geißlers 1. Klaviertrio aus dem Jahr 1970 spiegelt sich deutlich die vor allem die sowjetische geprägte Musiktradition der DDR, ein weiterer „Ziehvater“ der zeitgenössischen Musik war Béla Bartók. Geißlers Musik pendelt zwischen konventionellen Formen und einer daraus erwachsenden Emotionalität, die sich zwar kratzbürstig gibt, aber nie die Grenzen sprengt. Der hier schon zu spürende musikalische Druck eines „Sagenwollens“ entlädt sich in Georg Katzers „Zwei Verlautbarungen für Klaviertrio“ deutlicher, auch chaotischer. Von den Musikern gesprochene chinesische Weisheiten über die Heiterkeit der Musik wirken am Anfang und Ende nicht wie ein Zeigefinger, sondern eher wie ein ferner Traum.

Im Westen war Bernd Alois Zimmermann (1918-1970) ebenfalls mit dem Klaviertrio beschäftigt – „Présence“, geschrieben 1961, ist aber kein gewöhnlicher Gattungsbeitrag, sondern weist auf Tanz und Literatur als gleichberechtigte Ebenen. Hier geschieht der „Grenzübertritt“ auf eine sehr natürlich wirkende Wiese. Die Kunst zeigt sich entfesselt, der zuhörende Geist mag frei schwingen – doch ebenso tauchen hier Fragen auf, vielleicht ist Zimmermann eher im Zeitkreisen der Musik ein Protagonist des „Wohin?“ – Das alles kam in den Interpretationen durch das elole-Klaviertrio wunderbar zum Tragen.

Spannungsreich und ernsthaft näherten sich die drei Musiker den Partituren und können sich dabei auf ihre gegenseitig lang erprobte Erfahrung im Erspüren „richtig“ geatmeter und gestalteter Phrasen verlassen. Lediglich eine letzte souveräne Gelassenheit in einigen piano-Passagen im Zimmermann-Stück wäre das Sahnehäubchen gewesen, hier fehlte noch etwas der „quixotische“ Un-Ernst. José Biondi ergänzte mit sparsamen Körperaktionen und dem Entrollen der Spruchbänder von Paul Pörtner die künstlerischen Ebenen, so dass man am Ende nach nur drei Klaviertriokompositionen doch überzeugt war, eine ganze Welt kennengelernt zu haben.
(7.7.14)

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Veröffentlicht in Rezensionen

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