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Jenseits herkömmlicher Kategorien

Gustav Mahlers „Auferstehungssinfonie“ zum Kapell-Saisonabschluss

Das große Mahler-Jubiläum liegt gerade einmal drei Jahre zurück – wir haben uns intensiv mit dem Komponisten und seinem Sinfonien- und Liederkosmos beschäftigt. Beenden sollte man eine solche Tätigkeit nie, und das ist gut so, birgt doch jede neue Aufführung – im besten Fall – neue Erkenntnisse und Erfahrungen. Sich Gustav Mahler zu nähern ist eine Aufgabe, die selten geradlinig verläuft, denn eine einzige Sinfonie, ein Satz, manchmal sogar eine Folge weniger Takte kann Licht und Schatten, Himmel und Hölle erzählen.

In der 2. Sinfonie c-Moll, der „Auferstehungssinfonie“ hat Mahler versucht, ein ganzes Weltengebäude unterzubringen, was natürlich in dem Aspekt scheitern muss, wenn man präzise Antworten auf die Fragen des menschlichen Daseins erwartet. Mahlers Antworten sind gleichermaßen blumig wie erschütternd – auf das innig-intime „Urlicht“ folgt ohne Gnade der Lärm des Jüngsten Gerichtes. Der Erste Gastdirigent der Sächsischen Staatskapelle, Myung-Whun Chung, wird über mehrere Jahre hinweg alle Mahler-Sinfonien in Dresden zu Gehör bringen, nach der 1. und 9. Sinfonie folgte zum diesjährigen Saisonabschluss die Auferstehungssinfonie. Schon jetzt zeigt sich eine Linie in der zyklischen Aufführung – die Handschrift des südkoreanischen Dirigenten ist eine, die von Ruhe und Ernsthaftigkeit geprägt ist. Das erstaunt insofern, als man es bei dieser Musik eigentlich als natürlich betrachten würde, wenn der Dirigent bis zur kompletten eigenen Erschöpfung mitgeht.

Doch Chung weiß um die Stärken der Kapelle und kennt die Stücke genau – ab und an hat man das Gefühl, er höre seiner eigenen Interpretation zu und ist im Geiste schon einen ganzen Abschnitt weiter. So entsteht eine – so paradox es klingt – spannungsvolle Gelassenheit im Orchester, die schönste kammermusikalische Phrasen hervorbringt, aber eben auch eine erdverbundene, ausbalancierte Kraft. Chung wagte im 1. Satz ein langsames, fast breites Tempo, das aber durch überdeutliche Zeichnung niemals an Spannung verlor und den Zuhörer sofort in die Stimmung mitnahm. Die von Mahler als „Intermezzi“ erdachten Mittelsätze gaben sich flüssig und natürlich – das doch flotte Tempo des 3. Satzes etwa antizipierte bereits den Weltenbrand des Finales und zeichnete eine fast bizarre Scherzo-Atmosphäre.

Das „Urlicht“ gestaltete Mihoko Fujimura warmherzig und klar, Rachel Willis-Sørensen gab souverän die helle Sopranfarbe zum „Aufersteh’n“-Chor im Finale hinzu, wo der MDR-Rundfunkchor im glasklaren Pianissimo zuvor brillant eingesetzt hatte – an dieser Stelle verließ die Aufführung endgültig herkömmliche Kategorien, denn Chung schaffte es in unnachahmlicher Weise, das gesamte Finale samt Höllenlärm und Fernorchester mit zwingender Aussage zu gestalten. Das Mahlersche Universum ist bei Chung in quasi freiheitlich arbeitenden Händen, es bleibt genügend Raum für eigene Gedanken. Der emotionale Nachvollzug ist jedoch unabdingbar, weil Chung niemals den Fluss der Musik unterbricht, vieles bejaht und motiviert, was ohnehin schon im Orchester schön angelegt ist.
(7.7.14)

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Veröffentlicht in Rezensionen

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