Saisoneröffnung der Dresdner Philharmonie im Albertinum
Saisoneröffnung! Den freudigen Ruf durfte man im September schon einige Male in Dresden vernehmen, allein die Dresdner Philharmonie hatte es zunächst in ferne Länder verschlagen: eine zweiwöchige Südamerikatournee wurde gerade beendet. Letzte Woche stand zudem die Grundsteinlegung für den neuen Konzertsaal im Kulturpalast an. Letzteres mag als „Anfang vom Ende“ der Reisetätigkeit des Orchesters hoffnungsvoll stimmen und Chefdirigent Michael Sanderling war es daher auch ein Anliegen, zum Saisoneröffnungskonzert im Albertinum persönlich dem Publikum für seine Treue zu danken.
Programmatisch begann die Dresdner Philharmonie mit spätromantischer Musik und einmal mehr mit Jubilar Richard Strauss. Im ersten Teil des Konzertes stellte sich der neue „Artist in Residence“, der Pianist Martin Helmchen vor, der bereits mehrfach mit der Dresdner Philharmonie konzertierte und in dieser Saison Konzerte von Brahms und Prokofjew sowie Kammermusik spielen wird. Sein Residenz-Debüt gab er am Sonnabend mit Peter Tschaikowskys 2. Klavierkonzert G-Dur, einem energiegeladenen und im Vergleich zum bekannteren Vorgänger in b-Moll durchaus epischeren Werk.
Über die gewählte, konzertübliche Fassung von Tschaikowskys Schüler Alexander Siloti darf man geteilter Meinung sein, geben die starken Kürzungen im 1. und 2. Satz doch sicher nicht des Komponisten Willen wider. Bis auf wenige Wackler zu Beginn des 1. Satzes, die damit zu tun hatten, dass Helmchen gleich von den ersten Takten an „aufs Ganze“ ging, war das eine spritzige und emotionale, aber auch umwerfend präzise Interpretation. Keine spätromantische Überhitzung machte sich breit, und doch konnte man sich beim Hören sehr sicher sein, dass Helmchen viel Klangsinn für die verschiedenen Themen und virtuosen Passagen bewies. Besonders beeindruckend war die Übersicht, mit der Helmchen weitläufigere Wegstrecken im Stück zurücklegte – gleich in den ersten Takten jeder Phrase war das Ziel vorformuliert erkennbar. Die in der Partitur angelegte Extrovertiertheit der Musik setzte Helmchen mit einer Menge Spielfreude um, was bei diesem technisch anspruchsvollen Stück keineswegs selbstverständlich ist. Weitgehend einig waren sich Solist und Orchester im gemeinsamen Spiel, lediglich im 1. Satz fiel auf, dass Helmchen eine prägnantere Agogik bevorzugte, während das Orchester in den Streichern zu breiterer und weicherer Gestaltung neigte.
Nach der Pause hatte Witold Lutoslawskis „Kleine Suite“, eine noch in mäßig moderner Tonsprache angelegte „Gelegenheitsmusik“, einen etwas schweren Stand zwischen den wuchtigen Rahmenwerken, bildete aber einen reizvollen Kontrast und forderte vor allem rhythmische Energie von den Musikern, die Michael Sanderling auch problemlos freisetzte. Richard Strauss‘ Tondichtung „Also sprach Zarathustra“ bleibt ein irritierend-faszinierendes musikalisches Bilderbuch von der Freiheit der Kunst und philosophischen Anwandlungen über Mensch, Natur und Glaube – zumindest die ersten 22 Takte taugten auch für Bierwerbung und als Trailer für diverse Filme und Bands. Dabei gibt es gerade jenseits dieser ersten Partiturseiten viel zu entdecken. Michael Sanderling stellte vor allem ein leidenschaftliches Musizieren in den Vordergrund der Interpretation, sorgte für einen volltönenden Sound und viel, manchmal zuviel Lebendigkeit: einige vorbeistürmende Passagen konnten (das betraf auch einige der Streicher-Soli im Grablied und Walzer) nicht mehr allzuviel Innenleben entfalten. Dafür schlug die Mitternachtsglocke wuchtig an, die Bläserhomogenität im Tutti konnte man nur bestaunen und der ruhige Ausklang gelang im silbrigen H-Dur-Register vortrefflich.
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