Sinfoniekonzert der Elblandphilharmonie Sachsen in Radebeul
Zu leisen gehaltenen Streichertönen wandelt ein Klarinettist durch den Zuschauersaal, improvisiert singend, tänzelnd, gar heulend auf seinem Instrument und schreitet zur Bühne. So beginnt Wolfgang Amadeus Mozarts Klarinettenkonzert. Nein, natürlich nicht. Aber zumindest hätte dies denken können, wer nur flüchtig in das Programmheft des 5. Philharmonischen Konzertes der Elbland Philharmonie Sachsen geschaut hat. Wer den Klarinettisten Helmut Eisel zu einem Konzert einlädt, muss sich auf einen experimentellen Mozart-Zugang gefasst machen.
Eisel ist Klezmer-Musiker und spielt ansonsten solistisch und in verschiedenen Jazz- und Klezmerformationen. Das Mozart-Konzert hat er umfassend für seine Zwecke bearbeitet und eben auch mit diesem theatralischen Prolog ausgestattet – allerdings fragte man sich beim Hören mehrfach, welchen Sinn dies machen soll. Von Mozart blieb nicht mehr viel übrig: komponierte Form, Werkproportionen und klassische Klangsinnlichkeit waren nur mehr Begleiterscheinung. Originalpassagen verschliff und verzierte Eisel bis zur Unkenntlichkeit und anstelle des klassischen Finales wird eine Tanzpassage hinzugefügt – Crossover nennt sich das, und dem Publikum gefiel außerordentlich, was dann in einer Zugabe bis zur Show ausartete. Dirigent Jan Michael Horstmann folgte mit dem Orchester brav, leider waren die Streicher hier nicht auf dem höchsten Level ihres Könnens – die lässige Atmosphäre des Solisten übertrug sich halt von den ersten Takten an.
Dem Motto des Konzertes – Schweden – konnte man erst nach der Pause folgen und die Pause war nötig, um einen Weltenwechsel zu vollziehen. Ernst und geradezu existenziell emotional ging es mit Allan Petterssons 7. Sinfonie weiter, die überhaupt in Radebeul zum ersten Mal erklang. Pettersson wurde 1968 mit diesem Werk überhaupt erst einer breiten Öffentlichkeit bekannt, heute ist der schwedische Sinfoniker (1911-1980) immer noch selten in den Konzertsälen zu hören. Es gehört von Zuhörern wie Musikern viel Offenheit dazu, sich diesen kompromisslosen, ausdrucksstarken Stücken zu widmen. Dann aber öffnet sich – wie auch an diesem Abend durch eine intensive Darstellung geschehen – eine Welt voller katastrophischer Entwicklung, aber auch melancholischer Schönheit. Nach dem ersten, fast apokalyptisch sich zu mehreren Höhepunkten aufschwingenden Drittel der einsätzigen 7. Sinfonie beginnt ein großes Ausschwingen eines schlichten Gesangs, der unterbrochen von immer wieder anrollenden Wellen des Unbills erst in den letzten Takten zu ungestörter Ruhe findet.
Einige Abschnitte vor allem nach der vom Orchester dynamisch gut ausbalancierten, warm timbrierten Streicherpassage waren von Horstmann sehr ausgestaltend langsam genommen, doch hielt die Elbland Philharmonie stets die innere Spannung – mit aufmerksamen Streichern, die auch in schwindelnder Höhe gut phrasierten, einer toll artikulierenden, noch nicht immer ganz auf den Punkt gebrachten Bläsergruppe und exzellent agierenden Schlagzeugern, die im Stück einen wichtigen Part übernahmen. Am Ende hatte man das Gefühl, dass ein einziges Konzert für diese starke Begegnung doch zu wenig war: diese Klänge verlangen nach viel intensiver Beschäftigung. Man darf gespannt sein, ob das Orchester sich auch an eine der anderen faszinierenden, enorm fordernden Sinfonien des Schweden herantraut: die erste Tür wurde geöffnet.
(24.3.15)
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