Beethoven, Pintscher und Brahms in Moritzburg
Nicht immer läuft alles nach Plan, auch in der Kultur nicht. Im aktuellen Jahrgang des Moritzburg Festivals steckt ein wenig der Besetzungswurm – nachdem kurz vor Beginn die Geigerin Karen Gomyo abgesagt hatte, musste sich nun Cellist Jan Vogler selbst krankheitsbedingt für die Mitwirkung an den Konzerten am Dienstag und Mittwoch ausklinken. Für die Klasse des Kammermusikfestivals spricht, dass man nicht nur hochkarätigen Ersatz in beiden Fällen fand, sondern dass in den nun neuen Besetzungen genauso geistvoll und auf hohem Niveau musiziert wurde, wie es eben der Moritzburger Anspruch ist.
Dabei ist der Cellist Christian Poltéra hier gesondert zu würdigen, der eigentlich nur für ein Stück des Dienstagkonzertes im Schloss Moritzburg besetzt war, nun aber das komplette Konzert mühelos und mit vollem Engagement in der kammermusikalischen Gemeinschaft bestritt. Der Abend im Monströsensaal des Schlosses begann mit dem Streichtrio c-Moll von Ludwig van Beethoven. Da auch Johannes Brahms 3. Klavierquartett in dieser Tonart steht, war das in der Mitte stehende zeitgenössische Werk von Matthias Pintscher, dem Composer-in-Residence des Festivals sozusagen in diesen c-Moll-Raum eingebettet.
Dieser Klangraum jedoch konnte unterschiedlicher nicht ausfallen: in Beethovens Trio gelangt man dabei nahezu an einen Urgrund der Kammermusik mit drei Melodieinstrumenten, denen Beethoven 1798 noch recht konventionelle Aufgaben gibt. Genussvoll legten sich Vineta Sareika (Primaria des Artemis-Quartetts), Adrien La Marca und Christian Poltéra in die Wogen dieses Werkes. Mit viel Differenzierung gelang ihnen eine gute Nachzeichnung und vor allem die Darstellung des an Haydn und Mozart gemahnenden klassischen Charakter des Werkes.
Von Matthias Pintscher gab es dann ein Quartettwerk namens „Study IV for Treatise on the veil“ (etwa: Studie IV über die ‚Abhandlung über den Schleier‘) zu hören. Mira Wang, Robert Chen, Yura Lee und Christian Poltéra schufen eine spannungsgeladene Interpretation dieses Stückes, das im Beziehungsgeflecht von Kunst über Kunst artifiziell und abstrakt wirkte, dabei aber eine konsequent durchgehaltene Ebene aus leisesten Geräuschlinien und punktuellen Gesten vorstellte. Zwei Wünsche blieben offen: wenn der Werkbezugspunkt ein Bild des Malers Cy Twombly ist, sollte diese visuelle Ebene im Konzert auf jeden Fall in irgendeiner Weise erfahrbar sein – der stetige Blick auf das Geweihensemble im Monströsensaal war eher ein absurdes Surrounding für dieses Stück. Und für Dialoge mit Publikum oder Interpreten wäre die ohnehin obligate Anwesenheit eines Composer-in-Residence nützlich gewesen, doch Pintscher glänzte durch Abwesenheit. Trotz hervorragendem Einsatz der Interpreten trägt ein solches Durchwinken der zeitgenössischen Musik nicht unbedingt zum Verständnis bei.
Nach der Pause ging es zurück zu c-Moll und zu Johannes Brahms – doch nach der Beethoven-Erfahrung in der gleichen Tonart war hier deutlich spürbar, wie schwarz diese Tonart in Brahms Tonsetzung nun gefärbt war. Das über Jahre hinweg nicht komponierte, sondern schwer errungene Werk bekam von Francesco Piemontesi vom Klavier aus immer wieder dramatische und außerordentlich genau geformte Attacken, die sich wie Lunten in die Streichinstrumente legten und zu vielen vor Spannung berstenden Höhepunkten führten. Auf diese Weise erhielt das Scherzo seinen traurigen Sarkasmus, fragte das Andante trotz wunderschöner Cellolinie ständig „was wäre, wenn?“ und erst im Finale schien sich vorsichtig die Anspannung zu lösen, wenngleich die unwirkliche Sehnsuchtswelt erhalten blieb. Diese Hochromantik war bei Piemontesi, Mira Wang, Yura Lee und Christian Poltéra in den besten Händen und wurde vom Publikum stark gefeiert.
(26.8.2015)
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