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Bruckner zum Innehalten

Dresdner Philharmonie zu Ostern

Kulturgenuss zu Ostern – von diesem Angebot machte das Publikum der Dresdner Philharmonie an den Osterfeiertagen regen Gebrauch: das Albertinum war zu den beiden Konzerten komplett ausverkauft. Ostergeschenke gab es reichlich, wenngleich nur zwei Werke auf dem Programm standen: das 2. Violinkonzert g-Moll Op. 63 von Sergej Prokofieff und die 4. Sinfonie von Anton Bruckner. Mit dem israelischen Geiger Vadim Gluzman konnte ein bewährter solistischer Partner der Philharmonie gewonnen werden, und der kennt sich bestens mit Sergej Prokofieff und der Konzertliteratur insbesondere des 20. Jahrhunderts aus.

So war seine Interpretation des 2. Violinkonzerts auch eine einzige Freude: Gluzman hat einen strahlenden Ton und verbindet das motivische Material des Stücks mit rhythmischer Verve, die stets natürlich wirkt, im dritten Satz auch den derb-tänzerischen Charakter betont. Die klassischen Wurzeln dieses Konzerts, die Prokofieffs Satz nie verleugnet, waren in dieser Lesart sehr schön spürbar, den Rest erledigt Gluzmans Spielwitz und Sinn für gut getimte Phrasengestaltung. Chefdirigent Michael Sanderling bewies sich mit dem Orchester als klanglich sensibler Partner, wobei man sich im ersten Satz noch etwas gegenseitig abtastete. Hier spielte mehr prozesshafte Entwicklung eine Rolle, war noch nicht alles auf den Punkt gebracht. Das fulminante Finale des Konzerts forderte großen Beifall heraus, Gluzman bedankte sich mit Johann Sebastian Bach – frei von Pathos und klar wie ein Glas Wasser.

Anton Bruckners 4. Sinfonie ist die wohl populärste seiner neun Sinfonien – ausgerechnet diese Sinfonie wurde vom zweifelnden Komponisten allerdings gleich mehrfach überarbeitet. Gerade im kontrastreichen Finale sind die verschiedenen Lösungen, die die motivische Entwicklung anbot, auch in der Fassung der „letzten Hand“ noch spürbar, im Gegensatz dazu sind der 1. Satz und das Scherzo von sicherer Form- und Klanggebung. Michael Sanderling lotete diese Sphären von selbstbewusster, auch vorwärtsgerichteter Spannung mit dem Orchester gut aus. Wertvolle Unterstützung erhielt er durch Jörg Brückner am 1. Horn. Der ehemalige Philharmoniker (heute 1. Hornist bei den Münchner Philharmonikern) erhielt einen großen Sonderbeifall für die solistisch wie im Quartett herausragende Leistung.

Von seiner innigen Motivausformung im 1. Satz ging auch der Gesamtcharakter der Sinfonie aus, der mit dem Adjektiv „romantisch“ eigentlich nur unzulänglich erfasst ist. Sanderlings Lesart dieser Sinfonie war – besonders im 2. Satz und im Finale – äußerst detailgenau, manchmal auch etwas zu detailverliebt, was Nebenstimmen und harmonische Entwicklungen anging. Weniger auffällig war die Pulsierung des Werkes berücksichtigt, gerade im Finale erlaubte sich Sanderling im Grundtempo Freiheiten, die zwar überraschend mit Gaspedal und Bremse spielten, aber in dieser Lesart wurde stark der einzelne Moment in den Vordergrund gerückt. Trotzdem, und das war das Interessante dieser Aufführung, entstanden so Augenblicke, in denen man innehalten konnte, das Bekannte plötzlich ein sensibles, auch zerbrechliches Klanggewand erhielt – die Größe der Musik entstand vor den Ohren neu.

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