Daniil Trifonov und das Pittsburgh Symphony Orchestra bei den Musikfestspielen
Noch aus den 60-er Jahren stammt der Begriff der „Big Five“, mit denen die fünf großen US-amerikanischen Orchester in Boston, Chicago, Cleveland, New York und Philadelphia zusammengefasst wurden. Das ging freilich mit hohen Klangidealen und berühmten Orchestererziehern einher. Heute wissen wir, dass viele Städte in den USA über hervorragende Klangkörper verfügen. Der Österreicher Manfred Honeck leitet seit 2008 das Pittsburgh Symphony Orchestra, das bei seiner Europatournee zu den Musikfestspielen in Dresden gastierte – der kleine Wermutstropfen am Montagabend war die akustisch schwierige Spielstätte im Albertinum. Im Gepäck hatten die Amerikaner klassisches und romantisches Repertoire, und besonders gespannt war man auf den Solisten des Abends.
Der in Wettbewerben hoch ausgezeichnete und rund um den Erdball erfolgreiche Russe Daniil Trifonov gilt als neuer Stern am Klavierhimmel. Wenn es überhaupt etwas zu beanstanden gab, dann wohl die Kompaktheit des 1. Klavierkonzertes Es-Dur von Franz Liszt, die verantwortlich dafür war, dass das Erlebnis Trifonov nur gut zwanzig Minuten währte. Doch das hatte es in sich. Mit einer nur animalisch zu nennenden Hochspannung stürzte sich Trifonov auf das Werk, und vom ersten Klaviereinsatz war klar, dass er dieses Konzert derart dominierte, wie es eben eine Katze mit der sicher gefangenen Maus tut, bevor sie den finalen Biss ansetzt: Trifonov begab sich in ein ekstatisches Spiel, das dem Werk absolut immanent ist, und selten genug besitzen Pianisten die Fähigkeit oder den Mut, diese Urkraft aus dem Liszt-Konzert wirklich hervorzukitzeln.
Daniil Trifonov gelang noch weitaus mehr, weil er den Spannungsbogen bis zum letzten Akkord hielt und dazwischen Kindlich-verspieltes einstreute, als säße er nicht auf einem Konzertpodium, sondern würde ausgelassen über einen (klavieristischen) Spielplatz toben. Dafür gab es tosenden Beifall und die Dresdner dürfen sich außerordentlich über seine Residenz in der kommenden Saison bei der Staatskapelle Dresden freuen. Manfred Honeck leistete mit den Pittsburghern bei Liszt eine saubere Begleitarbeit; auf das Löwenparkett von Trifonov traute sich das Orchester mit Bedacht nicht, um ihm stattdessen sichere Basis zu gewähren.
Zuvor hatten die US-Amerikaner das Konzert mit Joseph Haydns 93. Sinfonie D-Dur eingeleitet, ein Repertoire, das einem amerikanischen Orchester nicht unbedingt als vertraut zugeschrieben wird. Im Albertinum lag dann auch die größte Schwierigkeit darin, die Sinfonie leicht und luftig zu musizieren, doch Manfred Honeck hatte – mit wienerischen Auftakten und viel dynamischer Transparenz – wenig Probleme, die Charaktere der Musik zu treffen. Das gelang vor allem gut, weil viel Musizierfreude im Orchester zu spüren ist, die Haydn natürlich zugute kommt. Mit dem Abschlusswerk konnte das Pittsburgh Symphony Orchestra dann die Trumpfkarte ausspielen.
Natürlich ist die 4. Sinfonie f-Moll von Peter Tschaikowsky immer ein Glanzstück, aber sie offenbart eben auch besondere Qualitäten eines Orchesters. Was die Amerikaner hier an Spielkultur, Aufmerksamkeit für Honecks motivierendes Dirigat und knackiger Bläserattacke im Tutti zeigten, war außergewöhnlich stark und die Interpretation war in allen vier Sätzen mitreißend intensiv. Mit einem Satz aus dem Ballett „Dornröschen“ von Tschaikowsky und dem Galopp aus „Maskerade“ von Aram Chatschaturjan verabschiedete sich das Pittsburgh Symphony Orchestra aus Dresden. Ein Kammerensemble des Orchesters musizierte am Sonntag in der Gedenkstätte Theresienstadt und erinnerte an vergessene Werke entarteter Komponisten – schön, dass die Musiker neben den großen Konzerten einer Tournee solch wichtigen Initiativen nachgehen.
Kommentaren