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Blitzend und glänzend

Beethoven, Reger und Strauss im 11. Kapellkonzert

Der in Dänemark geborene Geiger und Dirigent Nikolaj Znaider ist den Zuhörern der Kapellkonzerte durch viele Auftritte vertraut – im letzten Jahr interpretierte er das 1. Violinkonzert von Dmitri Schostakowitsch, hat mit Sir Colin Davis das Elgar-Konzert aufgenommen, und schon 2008 spielte er mit dem Gustav-Mahler-Jugendorchester das Violinkonzert von Ludwig van Beethoven in der Semperoper. Im 11. Sinfoniekonzert am Sonnabendvormittag stand ihm in diesem Werk Chefdirigent Christian Thielemann mit der Sächsischen Staatskapelle zur Seite.

Und diese Verbindung war fruchtbar in dem Sinne, dass die Intentionen von Orchester und Solist durchweg in die gleiche Richtung gingen, sich somit viel Harmonie herstellte und sich der sinfonische Charakter des Konzertes unmittelbar mitteilte. Schon in der Einleitung spekulierte Thielemann wenig auf Wundersames, sondern nahm zielgerichtet das erste Tutti in Angriff, und ebenso robust und volltönig tauchte Znaider im ersten Solo auf. Technisch jederzeit brillant und vor allem im ersten Satz mit selbstbewusst auftrumpfendem Ausdruck spielend tauchte beim Hören die Frage auf, ob diese vor Überdeutlichkeit sprudelnde Interpretation dem Konzert überhaupt gerecht wird.

Breitwandiger Orchesterklang und ein von Znaider saftig herausgespielter, dynamisch welliger Saitenklang auch in den kleinen Notenwerten im Solo sorgte für einen chromartigen Eindruck: es blitzte und glänzte überall, und das setzte sich auch in den Kadenzen und im Schönklang des 2. Satzes fort. Diese Art der kompetenten Veredelung des Werkes wirkte in der Summe schon fast wieder ungewöhnlich, widmete man sich doch hier überwiegend der hellen Qualität des D-Dur, dem strahlend Musikantischen. Und sicher ist es durchaus legitim, nicht in jeder Lesart das Konzert bis auf die Knochen auszuweiden, solange, wie hier geschehen, die emotionale Spannung der Musik zu tragen vermag.

Nach der Pause widmete sich die Staatskapelle erneut Max Reger, zu dessen 100. Todestag diesmal die 1914 entstandenen „Mozart-Variationen“ erklangen. Man möchte das Werk eher „Mozart-Verstrickungen“ nennen, denn alles, was noch klar und klassisch ist, ist lediglich das Ursprungsthema aus Mozarts Klaviersonate KV 331, der Rest ist in spätromantischer Dichte (und dennoch in nicht übertrieben großer Besetzung) harmonisch ganz schön aufgebläht und trotzdem reizvoll in der Instrumentierung und Motivverarbeitung.

Thielemann hatte mit der nah an Wagner liegenden, üppigen Mehrschichtigkeit der Varationen und der schnittartig wechselnden Charakterisierung keinerlei Probleme: sofort stellte sich ein transparenter und zu den Höhepunkten des Werkes nicht schiebender, sondern eher wogender Klang her, auch die etwas knöcherne Fuge bekam eine gewisse Samtigkeit verpasst, sodass die volltönende Reprise des Originalthemas am Ende aus natürlichem Schwung entstand.

Dass ausgerechnet Richard Strauss‘ Tondichtung „Till Eulenspiegel“ den Abschluss des Konzertes bildete, könnte als bissiger Kommentar verstanden werden: „Guck, Max, so komponiert man!“ – Wild, drängend, leichtfertig, drohend – so Strauss in seinen Partituranweisungen – soll die Schelmengeschichte umgesetzt werden. Thielemann gab seinem Till ordentlich Pfeffer, sich stets in der vertrauenden Gewissheit befindlich, dass die Kapellpferde niemals durchgehen würden, sondern in diesem Werk so erst recht zur Hochform auflaufen. Und so war es auch, mit fantastischen Soli in Horn und Es-Klarinette und einem gemeinsam zelebrierten Strauss-Klang, nach dem man – erneut – wieder süchtig werden kann.

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Veröffentlicht in Rezensionen

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