Manfred Honeck und Christian Tetzlaff im 12. Kapell-Konzert
Mit Werken von György Kurtág, Karol Szymanowski und Antonín Dvořák wies die Musik des 12. Sinfoniekonzerts der Sächsischen Staatskapelle deutlich nach Osteuropa, und doch handelte es sich bei den drei Stücken genauer betrachtet um genuin europäische Werke, die kaum über die Nationalitäten ihrer Schöpfer – Ungarn, Polen und Tschechien – allein darstellbar wären. Kosmopoliten sind die Komponisten in jeweils besonderer Weise – vielleicht trifft für Kurtág hier allerdings mehr die Umschreibung einer inneren Reise zu, die er mittels Klängen und Anklängen an Vergangenes oder Bekanntes oder Menschen und Freunde aus seinem Umfeld unternimmt.
Seine „Stele“ Opus 33 für Orchester aus dem Jahr 1994 stand an dem Beginn des Sinfoniekonzertes in der Semperoper, das sich auf diese Weise chronologisch rückwärts durch die Musikgeschichte bewegte. Vielleicht wäre einmal der umgekehrte Weg folgerichtiger, erhellender gewesen, doch von der traditionellen Konzertdramaturgie ist schwer Abschied zu nehmen. Muss man dann leider wie am Sonntagvormittag auch in Kauf nehmen, dass das Publikum dem Kurtág-Werk deutlich ablehnend gegenüber stand? Unabhängig vom Geschmack und den offenbar schwer zu öffnenden Ohren stellt die karge Beifallsbekundung eine arge Unhöflichkeit gegenüber dem Orchester dar, das sich außerordentlich für das klanggewaltige Werk von Kurtág einsetzte.
Das dunkel gefärbte, in vielen Schichten sich mit dem Thema Zeit, Erinnerung und Schmerz auseinandersetzende Stück konnte den faszinieren, der sich neugierig auf die ungewohnten Klänge im groß und mit viel Schlagwerk und Tasteninstrumenten besetzten Orchester einließ. Der Gastdirigent Manfred Honeck kümmerte sich um einen ausbalancierten Klang und konnte sowohl das tumultuöse Verzweifeln im zweiten Satz als auch das seltsam Unwirkliche, Un-Zeitliche des dritten Satzes intensiv darstellen – allein, es erreichte nur wenige und dies scheint weniger eine Frage der Vermittlung zu sein, sondern zeugt von salonfähiger Ignoranz dem Neuen gegenüber, der man nur entgegentreten kann, indem man der Gegenwartsmusik, die weder schwarz-weiß ist noch ein Museum darstellt, weiterhin ein Podium bietet. Es sollte selbstverständlich sein, der Musik unserer nächsten Umgebung mit Aufgeschlossenheit gegenüberzutreten, sie gehört zu uns, selbst wenn sie uns fremdartig erscheinen mag.
Eigentlich hätte beim zweiten Stück vielen im Publikum ein Licht aufgehen müssen – denn mit dem 1. Violinkonzert von Karol Szymanowski sieht man sich einem durchaus avantgardistischen Werk des beginnenden 20. Jahrhunderts gegenüber – neue Musik von damals, sozusagen. Fin de Siècle und Impressionismus gehen hier eine sinnliche, oft rauschhafte Verbindung ein, das Violinkonzert wirkt wie eine große und großartige Rhapsodie voller Naturklänge und überraschender Klangmodulationen. Manfred Honeck, Music Direktor des Pittsburgh Symphony Orchestra setzte das mit dem Orchester ziemlich volltönend um, verließ sich dabei aber auf das Können von Christian Tetzlaff an der Solo-Violine.
Der hatte mit ebenso deutlich gezeichnetem Ton keinerlei Mühe, dem flirrenden Orchesterapparat ebenbürtig zu sein und kostete die immer wieder anschwellenden und sich in höchste Lagen des Instrumentes aufschwingenden Phrasen voll aus. Dass das Konzert in dieser intensiv emotionalen Interpretation einige Male einen überdramatischen Touch erhielt, war eher eine persönliche Färbung dieser Aufführung: das brillante Schwelgen von Tetzlaff blieb gerade noch im rechten Maß, der prall gefüllte orchestrale Farbeimer wurde komplett ausgegossen und die großen Pinselstriche verbanden sich dennoch sinnfällig, weil Orchester und Solist selbst im drängendsten Tutti Sensibilität walten ließen.
Die Stückfolge des Konzertes konnte auch als eine permanente Aufhellung begriffen werden: Wenn bei Szymanowkis Sonnenblitze durch die Wolken schießen, ist die Welt bei Dvořáks 8. Sinfonie endgültig befriedet und klar – mit Ausnahme des 2. Satzes, der zumindest zeitweise eine melancholische Ebene des Nachsinnens aufblättert. Manfred Honeck interpretierte die bekannte Sinfonie mit viel Flexibilität im Dirigat und durchweg mit großer Emotion, was sich in den Ecksätzen auch in einem rasantem Tempo ausdrückte. Das wirkt in diesem Werk zwar äußerst brillant, führte aber auch zu einigen Wacklern und ein atmendes Ausspielen etwa des Flötenmotivs im 4. Satz war so nicht mehr garantiert. So war man gleichsam hin- und hergerissen, einerseits fasziniert von der enormen Intensität, mit die Staatskapelle Honecks Intentionen antwortete, andererseits mahnte der „innere Dvořák“ einige Male zu wünschenswerter Einkehr und freute sich dann doch, weil Honeck die Einleitung des 4. Satzes und insbesondere die Mittelsätze mit ruhig fließender Gestaltung bedachte und so die Spannung ihre nötige Balance erhielt.
Kommentaren