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Lustvoller Tanz auf den Grenzen

Tonlagen-Festival in Hellerau startet am 19. Oktober

Im Jahr 2013 wurde angekündigt, dass das aus den „Dresdner Tagen der zeitgenössischen Musik“ hervorgegangene Tonlagen-Festival am Europäischen Zentrum der Künste Hellerau nur noch biennal stattfinden kann. Jetzt ist es wieder soweit, und zehn Tage lang, vom 19. bis 29. Oktober, hat die Musik das Sagen in Hellerau. Doch der Fokus ist gemäß des in diesem Jahr gewählten Mottos „Panta Rhei – Alles fließt“ längst nicht mehr nur bei der Musik, und das hat auch die Entwicklung des Festivals in den vergangenen Jahren angedeutet. Gerade noch die beiden in diesem Jahr den Flöteninstrumenten gewidmeten Kooperationen mit dem Sächsischen Musikbund (22./25.10.) sind in die Kategorie „Klassisches Konzert“ einzuordnen, ansonsten wird es sehr bunt, und Intendant Dieter Jaenicke lud auf der Pressekonferenz am Mittwoch dazu ein, „mit Spaß und Lust auf den Grenzen herumzutanzen“.

Ein Festival also, das vor allem diejenigen belohnt, die sich offenen Ohres auf Klangsuche begeben und zu Erfahrungen bereit sind, die jenseits des Bekannten und Bequemen liegen mögen. Einige Linien lassen sich dennoch benennen, die Orientierung geben können: Südamerikanische Improvisations- und Installationskunst – eine so genannte „Gambiarra“ – wird in Ausstellungen im Haus während des ganzen Festivals präsentiert und Uraufführungen südamerikanischer Komponisten stellt AuditivVokal Dresden nach seiner Rückkehr von seiner Tournee nach Brasilien und Chile vor (29.10.). Die Eröffnung wird vom MDR Sinfonieorchester unter Kristjan Järvi am 19. Oktober bestritten, als Solist und Komponist sorgt der Gitarrist Bryce Dessner (The National) für einen sinfonisch-expressiven Grenzübertritt. Musiktheater wird es von der australischen Komponistin Liza Lim geben, ihr „Tree of Codes“ nach Jonathan Safran Foer ist eine Koproduktion mit der Oper Köln und spürt existenziellen Fragen nach der eigenen Identität nach – die Komponistin wird sich außerdem in der ensemble-courage-Reihe „Komponisten zum Frühstück“ am 23.10. vorstellen.

Der Schweizer Jazzpianist Nik Bärtsch kehrt nach Hellerau zurück und wird mit seiner Formation „Mobile auftreten“ (22.10.), Interkulturelles zwischen Berlin, Malawi, Jazz und neuer Musik trifft beim Gastspiel des „Andromeda Mega Express Orchestra“ aufeinander. Dass mit raster-noton (Chemnitz) ein Netzwerk der Elektronischen Musik beim Festival seinen 20. Geburtstag feiert, unterstreicht die Ausweitung der Tonlagen gleichermaßen in Richtung Kunst wie auch Club-Szene.

Die bekannten Hellerauer Reihen Morphonic Lab und Feature Ring sind ebenfalls in das Festival integriert. Reduziert, wenn nicht gar aufgegeben mag in diesem Jahr der Diskurs- und Laborcharakter der Tonlagen sein. Dass Hellerau in musikalischen Dingen als inspirativer Initiator und Motor von am (historischen) Ort entwickelten Aktionen oder Reaktionen auf die Zeitläufte fungiert, erscheint aus dem diesjährigen Festivalprogramm nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Doch ähnlich einer „Jungen Jury“ aus Jugendlichen, die in diesem Jahr nach einer Ausschreibung erstmals alle Veranstaltungen besuchen und kritisch beäugen wird, sind die Besucher in diesem Jahr mehr denn je eingeladen, sich dem Thema der Veränderung, der Prozessualität der Künste und Sinnlichkeit des Klingenden hinzugeben.

Ausgewählte Veranstaltungen:
19. Oktober 20 Uhr, MDR Sinfonieorchester, Bryce Dessner (Gitarre)
20. Oktober 20 Uhr, Lichtmusik „Flimmerskotom“ und Quiet Ensemble (Rom)
21. Oktober 20 Uhr, raster-noton 20 „Ton und Nichtton“, mit Alva Noto, Atom™, Signal und Dasha Rush
26. Oktober 20 Uhr, Liza Lim „Tree of Codes“, Musiktheater, Massimo Furlan (Inszenierung), Solisten, Ensemble Musikfabrik
28. Oktober 20 Uhr, ensemble ascolta, Simon Steen-Andersen, eine „Inszenierte Nacht“ mit Nachtmusiken von Bach, Schumann, Chopin, Mozart und Ravel
29. Oktober 20 Uhr, AuditivVokal Dresden & Ensemble Iberoamericano „Mikro Makro Meta“

* Komplettes Programm der Tonlagen unter http://hellerau.org/tonlagen-2016

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Veröffentlicht in Rezensionen

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