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Im Dunkeln ist gut Wagnern.

Rheingold-Wiederaufnahme an der Semperoper mit Christian Thielemann

Ein besonderer Opernabend erwartete die Besucher der Semperoper am vergangenen Sonnabend, obwohl es sich lediglich um eine Wiederaufnahme handelte. Denn die Neuauflage des gut fünfzehn Jahre alten Dresdner „Ring der Nibelungen“ in der Sichtweise von Willy Decker liegt in den Händen des Chefdirigenten der Sächsischen Staatskapelle Dresden Christian Thielemann – und damit sind einige Wagner-Sternstunden garantiert. Nach der „Walküre“ in der vergangenen Saison und dem im Januar 2017 folgenden „Siegfried“ wurde nun das „Rheingold“ aus den Tiefen des Wassers gehoben, und wenn Decker in seiner Ursprungsabsicht mythologische Aspekte der Genesis dem Beginn dieses Rings zuordnet, so konnte man dies aus dem Orchestervorspiel sofort atmosphärisch entnehmen.

Nur magisch zu nennen war das, was Thielemann dort gemeinsam mit den Kapellisten aus dem Einzelton Es nach und nach entfaltete. Die Spannung wurde auf die Szene weitergetragen und immer wieder aus dem Graben heraus angeheizt, denn Dirigent und Orchester drangen tief in die Details ein, balancierten mühelos weichesten Hörner- und Tubenklang mit dem Holz und den Streichern aus und betteten die Sänger so auf samtenen Untergrund. Solcherart versorgt war bei dem hochklassigen und sehr stimmigen Ensemble zusätzlich zum durch alle Partien reichenden ausgezeichneten Gestaltungsniveau auch eine Spielfreude zu beobachten, die im kargen Theater-Bühnenbild von Wolfgang Gussmann unbedingt notwendig ist, um das Ganze nicht zum Stelldichein im Stuhldepot abgleiten zu lassen.

Christiane Kohl, Sabrina Kögel und Simone Schröder als Rheintöchter ließen sich vom lüstern-siegesgewissen Alberich (unglaublich stimmlich vielseitig: Tomasz Konieczny) gerne verladen, währenddessen im Götterreich Wotan mit seinen Mannen nach Möglichkeiten sinnte, an das Gold zu kommen. Kurt Streit legte seinen Loge eher nüchtern-rational als überlegten Drahtzieher an – das war überzeugend und verlieh der gesamten Handlung Übersicht. Auch bei Markus Marquardt (Wotan) regierte nicht das (Über-)Mächtige in Stimme und Spiel, was aber nicht als Mangel ausgelegt werden kann: dieser Wotan läßt sich noch beraten, der Einzug in Wallhall ist noch nicht vollzogen. Somit verlegte Marquardt zunehmende Emphase in das letzte Drittel der Oper, glaubhaft gestaltet.

Charakteristisch überzeugend verlieh Gerhard Siegel dem geschlagenen Mime Jammer und Ach, und die kurzfristig eingesprungene Ronnita Miller gab ihrer Erda eine kräftige Wärme und gleichzeitig unwidersprechbare Weisheit mit. Die beiden Bauherren der Walhalla (Georg Zeppenfeld und Ain Anger als Fasolt und Fafner) entgangen durch wunderbar deutliche Partiengestaltung einer möglichen Überzeichnung. Thielemanns Brennen und Glühen aus dem Graben war gleichsam ein Vertrag mit den Sängern: hier stand die Musik völlig im Mittelpunkt und wer als Wagner-Neuling vielleicht mit manchem eingeblendetem Übertitel aus dem Libretto kämpfte, wurde gleichzeitig durch die Musik völlig verzaubert.

Magisch wurde es – wenn auch mit Schreck und Adrenalinstoß verbunden – dann kurz vor dem Einzug der Götter in die Burg: Im Orchestergraben ging komplett das Licht aus, nur Christian Thielemann blieb im Scheinwerferstrahl hell erleuchtet. Unabhängig von der nicht unangenehmen atmosphärischen Einzigartigkeit dieser plötzlichen Antizipation des Scheiterns für den Zuschauer agierte die Kapelle professionell: Kontrabassist Andreas Wylezol, der Tür am nächsten, eilte zur Technik, währenddessen das Orchester im Dunkeln weiterspielte, als ob sie nie etwas anderes gemacht hätten. Nach zwei Minuten ging das Licht wieder an. Vermutlich erschien deshalb das Des-Dur-Ende dieses „Rheingolds“ einige Takte später diesmal besonders strahlend; der Applaus für alle Beteiligten war lang anhaltend und sicher auch deshalb so stark, weil man eine solch stimmige Gesamtleistung eines rundum Wagner-erfahrenen Ensembles, gleich ob singend oder spielend, selten erlebt.

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