Silvesterkonzert der Staatskapelle Dresden mit Nikolaj Znaider und Christian Thielemann
Piècen, kleine musikalische Kanapees und demgegenüber einige durchaus virtuose Feuerwerke mit Pauken und Trompeten – so kennt man die Silvesterkonzerte der großen Orchester. Oftmals wird gleich die „Ode an die Freude“ herangezogen, die aber im unreflektierten Repetieren eher an solchen Terminen Schaden nimmt denn zu beglücken. Im Vergleich zu den meist durch Walzer und Tanz beschwingteren Neujahrskonzerten erhalten die Silvesterkonzerte mit der Thematisierung des Jahresendes und dem damit verbundenen Rückblick meist den anspruchsvolleren Touch. Dennoch wird der festliche Grundcharakter beibehalten – so auch in Dresden im nunmehr vergangenen Jahr 2016. Traditionell beendete die Staatskapelle Dresden das Jahr in der Semperoper mit dem im ZDF wenige Stunden später gesendeten Silvesterkonzert.
Die Leitung oblag dem Chefdirigenten Christian Thielemann, der diesmal nach früheren Ausflügen in Operette und Musical eben genau den Spagat zwischen leichter Muse, Festlichkeit und Anspruch wagte. Dies konnte vor allem deswegen gelingen, weil das Orchester selbst im Mittelpunkt stand und alles dekorative Beiwerk etwa einer Moderation oder inszeniertem Glamour entfiel – nunja, nicht ganz. Einleitend hatte der Musikredakteur des ZDF dazu ermuntert, gehörig Beifall zu spenden: „Lassen Sie alles raus, Sie haben dieses Jahr nichts mehr zu verlieren!“ – Mit derartiger Motivation ausgestattet ertrug man sogar, dass die Semperoper fortan abwechselnd in blaues und rotes, manchmal gar blaurotes oder rotblaues Licht getaucht wurde, einem medialen Verständnis von Festlichkeit folgend. Mehr Erkenntnis gewann, wer die Ohren spitzte und sich dieses Silvesterkonzert wie ein Festmahl auf der Zunge zergehen ließ.
Es gab zwar keinen erkennbaren roten Faden im Programm, aber ein Menü lebt ja auch von der Abwechslung und unterschiedlichen Gaumenfreuden. So labte man sich an köstlichen Ouvertüren von Emil Nikolaus von Reznicek (Donna Diana), Gioachino Rossini (Wilhelm Tell – mit delikaten Soli von Flöte, Englisch-Horn und Cello respektive der Cellogruppe) und in der Zugabe Franz von Suppé (Leichte Kavallerie). Der Geiger Nikolaj Znaider ist seit vielen Jahren ein geschätzter Solist und Partner des Orchesters und interpretierte im Silvesterkonzert das wohlbekannte Konzert Nr. 1 g-Moll von Max Bruch, ein romantischer Klassiker fürwahr. Im 1. Satz noch mit viel Temperament und Kante versehen wurde Znaider im Verlauf des Stücks immer gefühlvoller, aber gemeinsam mit dem auf die Millisekunde genau begleitenden Christian Thielemann auch mutiger. Der große und breite Ton Znaiders, den auch das Orchester mühelos übernahm, schien adäquat für das Stück, und Virtuosität wirkte hier nie vordergründig oder ausgestellt, sondern in den Fluss eingebettet.
Mit Miniaturen von Fritz Kreisler begab sich Znaider auch im Geigenton noch einmal zurück an den Beginn des 20. Jahrhunderts, beinahe konnte man innerlich ein Schellack-Kratzen zu diesen galanten Retro-Eskapaden hinzufügen, an denen auch Thielemann mit der Kapelle wie auch das begeisterte Publikum seinen Genuss hatte. Dass Peter Tschaikowskys dramatisch auffahrende „Romeo und Julia“-Ouvertüre – von Christian Thielemann hochkonzentriert mit Sinn für Weichheit und Zwischentöne interpretiert – wie ein Pfeiler in der Mitte des Konzerts stand, wies dezent darauf hin, dass nicht alle Lebensbahn im „Schön Rosmarin“ eines Fritz Kreisler mündet. Die unausgesprochene, durchaus bescheidene Botschaft dieses Konzertes am Jahresende war, dass die Musik selbst in all ihren Schattierungen und Ausdruckswelten genügt, um die Sinne zu schärfen und Sinn zu geben. So darf es gerne 2017 weitergehen.
* Festkonzert aus der Semperoper, noch bis 30. Januar in der Mediathek des ZDF verfügbar
Fotos (c) Matthias Creutziger
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