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Murradweg 2017 – Teil 1

Zum dritten Mal hintereinander führte mich mein Sommerurlaub nach Österreich, und wieder entschied ich mich für einen der tollen Fluß-Radwege – nach dem berühmten Donauradweg und dem weniger berühmten, aber ebenso erlebnisreichen und naturnahen Tauernradweg war nun der Murradweg dran, und zwar 352 km von der Quelle im salzburgischen Lungau bis hin zur slowenischen Grenze. Wir haben es dann samt kleiner Abstecher, Gasthofsuchen und Verirrungen in der Südsteiermark auf 402,9 km gebracht.

Auf 1750m Höhe beginnt der Murradweg – und zunächst geht es rasant bergab!

Begleitet wurden wir wieder vom hervorragenden bikeline Radführer, der uns zwar einige Anstiege verschwieg (etwas Spaß muss ja sein…), dafür aber andere reizvolle Stopps, Gasthöfe und Übernachtungsmöglichkeiten vorschlug. Mein kleiner Reisebericht soll auch für Leser interessant sein, die sich den Murradweg vornehmen wollen – einige Tipps finden sich daher in den Links im Text. Die Anreise kann natürlich mit dem Auto geschehen – es gibt auch einen Rückholbus, der einmal die Woche die Räder von Bad Radkersburg zurück nach St. Michael im Lungau bringt, dafür muss man natürlich einen gewissen Tourplan einhalten. Wir allerdings hatten nur den Rahmen abgesteckt und uns erst am dritten Tag entschieden, auch bis Radkersburg zu fahren, ursprünglich wollten wir ab Bruck die Mürz hochfahren.

Wir besitzen kein Auto, daher war die Anfahrt zur Mur etwas kniffliger – von Dresden aus hätten wir via Salzburg, Villach und Unzmarkt per Zug und Bus Muhr im Lungau – unseren Ausgangspunkt – ansteuern müssen, was eine 18-Stunden-Tour gewesen wäre. Bequemer ging es mit dem Postbus (Linien 270 und 360) direkt ab Salzburg nach St. Michael und Muhr – der fährt durch den Tauerntunnel und braucht ab Salzburg nur zwei Stunden, die Räder müssen im Voraus angemeldet werden.

Stilles Tauern-Hochtal – nahe dem Murursprung auf 1800m Höhe.

Als längster der steirischen Flussradwege nimmt der Murradweg im südlichen Salzburger Land, im Lungau, am Fuß der Tauern seinen Ausgang und begleitet die Mur bis nach Bad Radkersburg zu ihrem Übertritt nach Slowenien, alle Landschaftstypen der Steiermark durchquerend. So hatten wir bei jeder Etappe neue Blickwinkel und lernten Berglandschaften, Täler und Ebenen ebenso wie Dörfer und Städte und ihre Kulturen und Traditionen in der Nord- und Südsteiermark kennen.

Die Sticklerhütte.

Der Beginn des Murradwegs liegt auf 1750m Höhe an der Sticklerhütte. Diese ist von Muhr aus, dem ersten Dorf unterhalb des Mur-Hochalpentals zu Fuß, per Rad (Vorsicht: 600HM auf 14,5km) oder per Kleinbus (Tälerbus.at) zu erreichen. Letzteres ist auch die bequeme Variante, wenn man die Murquelle (ca. 1,5h von der Sticklerhütte aus) erwandern will. Der Kleinbus nimmt nicht nur etliche Personen, sondern auch die Räder mit hoch, so dass man sich nach Wanderung und Stärkung bei der Hüttenjause auf die erste kurze Etappe nach Muhr hinunterstürzen kann. Das Titelbild des Artikels gibt den Fahrspaß und die steile Abfahrt nur ansatzweise wieder… – Muhr selbst bietet außer einem ominösen Kaufhaus, dem gemütlichen Gasthof zur Post und den ortstypischen Einhöfen vor allem Ruhe und Entspannung für ein Ankommen im Urlaub. In der Kirche konnten wir auch noch die Muhrer Prangstangen bewundern, die allerdings schon ziemlich verblüht waren.

Am nächsten Morgen ging es – nach einem „Murwässerchen“ der Wirtin, das sich als handfester Startschnaps entpuppte – los zur ersten „richtigen“ Etappe. Ziele und Unterkünfte waren uns selten im Voraus bekannt bei dieser Reise, das war auch schon beim Tauernradweg so und stellte sich erneut als unkompliziert heraus. So kann man auf das Wetter und die eigene Fahrlust reagieren und spontan einkehren oder nächtigen, wo etwas frei ist – bislang hatte ich mit Quartieren entlang der Radwege immer Glück, denn auch die Gasthöfe sind meist auf Spontanradler eingerichtet. Die erste Etappe führte uns fast bis Murau – nach den ersten 10km abwärts geht es durch die Ebene des Lungaus auf etwa 1000m Höhe nach St. Michael und Tamsweg. Ab hier begleitete uns die Murtalbahn und die Mur selbst wird zum reißenden Fluss. Rafting-Sportler haben wir allerdings nicht gesehen, vermutlich trug die Mur hier schon zuviel Wasser. Es war – wie schon zu Beginn der Reise – sehr heiß und leider hatten wir auch einen Notfall einer holländischen Reisegruppe in der Nähe von Predlitz mitbekommen. Einem der Senioren der E-Bike-Gruppe ging es gar nicht gut, aber Hilfe war schon vor Ort. Es sei an dieser Stelle durchaus ernst darauf verwiesen, dass ausreichender Wasservorrat und Sonnencreme gerade bei den langen Hitzephasen im August südlich des Alpenkamms selbst bei dieser nicht allzu anstrengenden Tour unbedingt dazugehören!

Die Murtalbahn.

St. Ruprecht hieß unser Ziel am ersten Tag nach 58km und wir waren froh, direkt am Ortseingang in der Wohlfühlpension Egger-Feiel ein Zimmer beziehen zu können. Da im Ort, in dem es übrigens auch ein Holzmuseum gibt, der Gasthof umgebaut wurde, brachte uns die Pensionswirtin zum Abendbrot nach Stadl in den Murtaler Hof.

Stadl an der Mur – Weltuntergang am 5.8.2017

Schwere Gewitter waren angesagt, und die kamen auch prompt und leider sehr heftig. Wir kamen zwar rechtzeitig wieder in der Pension an, mussten aber zusehen, wie Unmengen Wassers den Hang hinunter durch den Ort rauschten, ein Bach entlud sich auch in einen benachbarten Keller. In anderen Orten der Gegend war es noch schlimmer, und da der Folgetag ebenfalls noch einmal von aufladender Hitze bestimmt war, gab es erneut Unwetter, Überschwemmungen und Muren.

Die Mur bei Tamsweg – so klar sahen wir sie nie wieder…

Diese Unwetter prägten auch unsere Fahrt an den kommenden Tagen. Abwechslungsreich wurde es allerdings auch durch die täglich wechselnden Quartiere mit ganz unterschiedlichen Preisen, Komfort, und, was uns besonders auffiel: Kaffee- und Bettenqualität. Was wir natürlich erst nach der Reise wussten, war, dass wir in St. Ruprecht letztmalig einen wunderbaren Frühstückskaffee genießen konnten. Einen Tag später in Unzmarkt gab es zwar noch Kapselkaffee, aber danach wurden die Quartierkaffees nahezu ungenießbar, so dass wir bald nach Etappenstart eine Kaffeepause im nächsten Ort einlegten, selbstverständlich erst nach Sichtung der ortsansässigen Cafékaffeemaschine.

Die Mur unterhalb von Murau am nächsten Morgen…

Im Erholungsgebiet Kreischberg waren bei der folgenden Etappe die Folgen des ersten Unwetters deutlich zu sehen – der Murradweg war voller Äste und Blätter, die Mur selbst präsentierte sich am Morgen als schlammig dampfender See. Diese Farbe würde bis zum Ende unserer Reise nicht mehr weichen, denn mit den folgenden Gewittern transportierte die Mur aus den Hochalpen und der Nordsteiermark weitere Schlammmassen zu Tal. Allerdings stellten wir auch fest, dass der Fluss die Wassermengen problemlos aufnehmen konnte, da Regulation und Flussgeschwindigkeit selbst für diese extremen Wetterverhältnisse stimmten – lediglich in Graz waren einige Unterführungen unterspült, die wir auf Flussniveau hätten durchfahren müssen.

Unzmarkt-Frauenburg, Burgruine, Kirche und Bahnhof aus drei Jahrhunderten.

Nach St. Georgen passierten wir die schöne Innenstadt von Murau, auch hier mit Kaffee- und SPAR-Einkaufsstopp. Erneut stiegen die Temperaturen schnell auf 30 Grad, so dass wir jeweils schauten, dass wir am Vormittag die meiste Wegstrecke zurücklegten. Über Teufenbach und Scheifling ging es – ähnlich wie am Vortag reichlich wellig mit einigen knackigen Steigungen; die Ortslage Saurau bleibt uns vor allem deswegen im Gedächtnis, weil auf der Kuppe oben eine Omi im Vorgarten saß, die unseren Schweiß rotzfrech mit „Nur die Harten kommen durch“ kommentierte…  – nach Unzmarkt-Frauenburg. Das kleine Örtchen Unzmarkt ist zwar verkehrstechnisch wichtig, weil hier die ÖBB-Strecke aus Villach in Richtung Wien einbiegt, ansonsten ist es aber reichlich verschlafen und vom gegenüberliegenden Frauenburg grüßte eine Barockkirche und die Schlossruine des Minnesängers Ulrich von Liechtenstein. Unser Etappenziel war erreicht, denn bis ins noch 20km entferntere, größere Judenburg wollten wir erst am nächsten Tag. Unzmarkt wartet außerdem mit einem kleinen Freizeitpark an der Mur auf, wozu ein kostenlos besuchbarer Naturteich und ein von einem aus dem Saale-Unstrut-Gebiet stammenden Wirt betriebenes Café zählt. Dort verbrachten wir den Nachmittag, bevor das zweite Unwetter binnen 24h anrollte, das sich am Abend über zweieinhalb Stunden über uns entlud und die Steiermark zum Katastrophengebiet werden ließ. Mit unserer Pension hatten wir allerdings ein Dach über dem Kopf und konnten nur hoffen, dass es für die Bewohner glimpflich ausging – ausgerechnet das jährliche Feuerwehrfest auf der Burgruine wurde schon tags zuvor abgeblasen, die bereits aufgebauten Stände gingen schon im ersten Unwetter unter…

Tour de Mur(e) bei Judenburg.

Auf der nächsten Etappe via Judenburg nach Leoben (Königsetappe mit 78km, aber das wussten wir an dem Morgen noch nicht) begrüßte uns auch noch ein Morgengewitter samt Bindfadenregen, zudem hatten wir die 20km bis Judenburg nicht nur mit Nässe und einigen knackigen Steigungen zu kämpfen, sondern auch mit den Folgen des zweiten Unwetters – über einen Murenabschnitt halfen uns Straßenarbeiter hinweg, die bereits den Schlamm entfernten. Immer wieder sahen wir, wie sich das Wasser in der Nacht in den Hängen einen eigenen Weg gebahnt hatte, auch den Märchenwald Steiermark hatte es getroffen. In Richtung Judenburg beruhigte sich das Wetter etwas, so dass wir am Sternenturm Judenburg unseren Vormittagskaffee sogar draußen einnehmen konnten.

Hier geht es zum 2. Teil!

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Veröffentlicht in Weblog

Ein Kommentar

  1. Christina Christina

    Sehr sehr schön beschrieben, ich warte auf Teil 2!

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