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Hoffnung, Sturm und Aufbruch

Saisoneröffnung der Dresdner Philharmonie im Kulturpalast Dresden

Natürlich schwang da gehöriger Stolz mit, als Oberbürgermeister Dirk Hilbert am Sonnabend die neue Konzertsaison der Dresdner Philharmonie im Kulturpalast eröffnete: Nach der fordernden und bewegenden Zeit des Umbaus „sei der Kulturpalast nun Kraftquelle und Impulsgeber“, ein „kommunikatives, vielseitiges und anregendes Zuhause“, so Hilbert. Und das gilt gleichermaßen für die Dresdner Bürger wie für das im Haus residierende Orchester, das seiner neuen Spielzeit ein weit fassbares Motto mitgegeben hat. „Musik Welt Sprache“ umspannt Wortmusikalisches mit Literatur und Oratorium ebenso wie den inspirierenden Blick in die Musikwelten anderer Länder. Der vom Orchester schon mehrfach in Dresden aufgeführte türkische Pianist und Komponist Fazıl Say erscheint da als Composer in Residence nahezu prädestiniert für bereichernde Begegnungen, und so war man auch gespannt auf die Uraufführung der 4. Sinfonie „Umut“ („Hoffnung“), die Say im Auftrag der Dresdner Philharmonie geschrieben hat – seine 2. Sinfonie erklang noch 2016 im Albertinum. Aufgrund eines Todesfalls im engsten Familienkreis konnte Say der Uraufführung des neuen Werks selbst nicht beiwohnen. Für seinen pianistischen Auftritt mit einer Beethoven-Sonate im 2. Teil des Konzertes sprang dankenswerter Weise der Österreicher Christoph Berner ein, der der Philharmonie solistisch wie in der Kammermusik schon lange verbunden ist. Nicht verständlich, sondern eher verstörend aufschiebend, als müßte eine Stimmung erst überwunden werden, war der Einschub des Intermezzos aus der Oper „Cavalleria Rusticana“ von Pietro Mascagni zu Beginn.

Dabei hatte Fazıl Say in seiner neuen Sinfonie wirklich einiges zu sagen und gleich der Beginn mit einem fast volkstümlich singenden Thema bannte das Ohr. Says Musiksprache ist fasslich und vor allem vermag sie Spannung mit Formaufbau und Rhythmus zu tragen. Obwohl episodisch locker gefügt, konnte man so gut über eine halbe Stunde verfolgen, was es mit der Hoffnung-Sinfonie auf sich hatte. Am stärksten wirkte die Musik, wenn sie sich in Gefühlen entfesselte, die „nichts wollten“ außer die Kraft der Musik selbst zum Schwingen zu bringen. Da standen leise flirrende Akkorde im Raum, sang die Cellogruppe einen großen Monolog oder tobte das Schlagzeug mal tänzerisch, mal martialisch mahnend. Schwieriger war der Nachvollzug, als Say in der Musik den IS-Anschlag in einer Istanbuler Diskothek an Silvester 2016 reflektierte. Die Verbindung von Partymusik (die Philharmoniker übten sich hier exzellent als Bigband!) und Gewehrsalven läßt einem zwar den Atem stocken, die drastisch-direkte Ästhetik wirkte aber an dieser Stelle wie ein Knick in der Musik, wenngleich man die Einblendung des – unerträglich – Realen verstand.

Doch dass einem türkischen Künstler überhaupt das Wort Hoffnung nicht nur einfällt, sondern er es in langen Stunden auch in einem schöpferischen Akt in eine Sinfonie umsetzt, ist nicht nur bemerkenswert, es ist auch zu hoffen (sic!), dass dieser Umut-Sinfonie viele weitere folgen werden, damit wir dieses, einem Auf-Ruf zur Handlung ähnelnden Gefühl nicht verlernen, sondern es auch über die Kunst immer wieder ins Bewusstsein rufen. Chefdirigent Michael Sanderling – der nach acht Jahren erfolgreichem Wirken in Dresden nun seine letzte Konzertsaison eröffnete – leitete die höchst konzentrierte und einfühlsame Uraufführung mit einer Intensität in allen Belangen, dass man durch die neuen Ideen ebenso getragen wurde wie durch scheinbar Bekanntes in dieser Musik – Vertrautheit stellte sich ein, für die Hoffnung sorgte Say vor allem auch in den letzten lichten „Nachtmusik“-Takten der Sinfonie.

Dass im zweiten Teil des Konzertes Werke von Ludwig van Beethoven auf dem Programm standen, wirkte angesichts der Hoffnung-Thematik nicht nur einleuchtend, sondern zusätzlich bereichernd. In den Jahren 1801/1802 war der Komponist in vielerlei Hinsicht im Aufbruch zu neuen (Musik-)Welten begriffen. Zwei exemplarische Werke dieser Zeit sind die „Sturm“-Sonate d-Moll für Klavier und die 2. Sinfonie D-Dur. Christoph Berner legte viel Emphase auf den langsamen Mittelsatz der Sonate und suchte Beethoven eher von innen her zu ergründen, als dass es vieler Kontrastmittelchen bedurft hätte. Dieser Zugang war ruhig und besonnen und ließ auch die offene Mitreise des Zuhörers zu, Berner bekam für diese Interpretation und sein Einspringen starken Applaus. Für einen eher auftrumpfend selbstbewussten, ja kratzbürstigen Beethoven war dann wieder Michael Sanderling zuständig, aber genau diese Haltung passte zum ersten Satz der 2. Sinfonie D-Dur hervorragend. Sanderling erfasste dann die eben nicht mehr so fanfarenlastigen Mittelsätze mit guter Tempoführung und weicherer Agogik, so dass sich der erste Satz als farbensprühendes Gemälde deutlich abhob. Auf das differenzierte und präzise Spiel seiner Philharmoniker konnte er sich auch hier verlassen – damit gelang ein vielschichtiger und intensiver Auftakt zu einer sicher sehr spannenden Konzertsaison, an der wir neugierig teilnehmen sollten!

  • Von Fazıl Say erklingt am 29. und 30. März 2019 im Kulturpalast ein neues Konzert für Schlagzeug und Orchester, außerdem wird er am 25. April ein Klavierrezital geben
  • CD-Tipp: „Préludes, Gnossiennes, Gymnopédies“ – Fazıl Say spielt französische Klaviermusik von Claude Debussy und Erik Satie, Warner Classics, 2018
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