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Starke Musikbilder

Der Capell-Compositeur Peter Eötvös dirigierte seinen eigenen Porträtabend

Dass die Staatskapelle Dresden ihrem aktuellen Capell-Compositeur nicht nur einen umfangreichen Kammermusikabend widmet, der im Januar im Festspielhaus Hellerau stattfinden wird, sondern auch einen Porträtabend mit sinfonischen Werken, zeugt von besonderer Wertschätzung, hängt aber auch mit der glückhaften Doppelexistenz von Peter Eötvös als Komponist und Dirigent zusammen. Denn so ist der Komponist gleich in die Erarbeitung der eigenen Werke verantwortlich wie auch als kreativer spiritus rector eingebunden. Das Orchester wiederum empfängt die neuen Noten aus erster Hand und gleich die kompetente Anleitung zur Aufführungspraxis dazu, denn der 74-jährige ungarische Komponist ist auch am Dirigentenpult eine Instanz, vor allem in der Interpretation der zeitgenössischen Musik aller Couleur, die er regelmäßig auch auf den einschlägigen Festivals aufführt.

Eine gute Entscheidung für einen Capell-Componisten also, und zudem erwies sich auch die Entscheidung wieder einmal als goldrichtig, keine Siebenminutenstücke am äußersten Rand eines Sinfoniekonzertes zu platzieren, sondern Eötvös Raum und Zeit für seine Musik zu geben. Die Raumwahl war ohnehin besonders: das Porträtkonzert fand am Dienstagabend im Kulturpalast statt. Vielleicht war der Saal ein bisschen zu groß für die an solcher Musik interessierte, etwas reduzierte Publikumsschar, doch erneut punktet der Kulturpalastsaal mit einem weiteren Phänomen: sind einige Reihen leer, verliert man sich dort dennoch nicht in einer hallenartigen Weite, sondern empfindet ein intimes Musikerlebnis. Und wenn dann noch ein so dankbares und konzentriertes Auditorium die passende Atmosphäre liefert, dürfte auch das Orchester beglückt gewesen sein. Die Staatskapelle dankte es mit gleich drei Erstaufführungen, sogar Belá Bartóks „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“ war wundersamerweise noch nie in Kapellmusikerhänden. Dafür war es in Dresden die zweite Aufführung dieses Werks binnen zweier Tage, nachdem die Musikhochschule am Sonntag bereits das wirkungsvolle Stück zur Aufführung gebracht hatte.

Sächsische Staatskapelle Dresden im Kulturpalast, Dirigent Peter Eötvös

Im ersten Teil des Konzertes gab es Musik von Peter Eötvös zu entdecken, und die Begegnung war schon allein durch das zu spürende Wollen des Orchesters intensiv und in vielerlei Hinsicht auch emotional nahegehend. Man braucht keinen Leitfaden für Neue Musik, um Eötvös‘ Gedankengängen und musikalischen Einfällen zu folgen. Die Musiksprache ist avanciert, alle bekannten Möglichkeiten und Spielarten werden lustvoll ausgeschöpft, allein die Zusammensetzung und Bildsprache trägt eine eigene, unverwechselbare Handschrift. Und die ist bei Eötvös am besten ganzheitlich zu nennen, denn verfolgt er einmal eine Idee auf dem Notenpapier, wie im Orchesterstück „The Gliding of the Eagle in the Skies“ aus dem Jahr 2012 das Ikarushafte, Weitschwingende, dann kostet er dies bis in kleinste Verästelungen aus. Und darum waren die beiden solistisch eingesetzten Cajóns (Kastentrommeln) eben kein Kontrast, sondern immer wieder rhythmischer Anschub von kräftigen Wellen, bei der baskische Volksmusik eine ebenso große Rolle spielte wie ein schemenhaftes Umspielen der Melodien, gleichsam einem in den Wolken verschwindenden Vogel ähnlich. Solcherlei Bilder wirken stark und mit einem Sinfonieorchester diese Sprachlichkeit auslösen zu können, ist ein lustvolles Unterfangen auch für die Interpreten. Schade, dass das Auspendeln des ersten Stücks im Adagio-Tonfall fast ein wenig zu kurz geriet, den großen Adleratem hätte man als Zuhörer noch gehabt.

Ein ausgewachsenes Violinkonzert ist „Seven“ (2007) von Peter Eötvös , das dann von Akiko Suwanei – und sechs weiteren Violinsolisten der Staatskapelle! – mit großartiger Klangvorstellung für die Balance ausgeführt wurde. Dass den sieben umgekommenen Astronauten des Raumschiffs „Columbia“ als Memorial gewidmete Stück bezieht die Zahl Sieben in vielfältiger Weise ein. Sehr berührend war der Raumklang des Geigenseptetts, faszinierend auch, wie Eötvös aus einer dezidiert ausgewählten Instrumentenauswahl im Orchester nun weitaus düstere Klangwelten formte. Dass hier die Sologeige sinfonisch als primus inter pares fungiert, war überraschend. Genau damit spielte Eötvös aber auch im Laufe des Stücks und konfrontierte den von Suwanai klar und eindringlich gehaltenen ernsten Ton des Werkes immer mehr mit dem Ensemble.

Begeistert reagierte das Publikum schon hier, und das setzte sich nach dem zweiten Teil des Konzerts fort. Bartóks spannende Musik ist Peter Eötvös wie eine Muttersprache, und diese Selbstverständlichkeit war vermutlich auch ein gutes Mittel, um von den Tücken der Ausführung weg hin zu einer sanft schwingenden Spielart zu kommen. Nicht alles war da in der Rasanz ganz auf dem Punkt gebracht, aber ganz ohne den manchmal Verrücktes hervorbringenden Zauber des hemmungslosen Augenblicks geht es nicht, dafür ist es Musik voller Esprit.

 

Fotos (c) Oliver Killig

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