Gedenkkonzert der Dresdner Philharmonie zum 13. Februar
Dass der Chefdirigent der Dresdner Philharmonie, Michael Sanderling, in seinen acht Spielzeiten zum Gedenktag Dresdens am 13. Februar bereits fünf Mal eine Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch auf das Programm setzte, ist ein Statement. Abgesehen davon, dass alle diese präsentierten Werke von bekenntnishaftem Ernst künden, widmen sie sich in unterschiedlich seismographischer Weise der Auseinandersetzung mit der sowjetischen Geschichte und reflektieren im Rückblick auch die mit Ressentiments belegte eigene Biografie. Nicht in eindeutiger Weise ist dies mit Gedanken zu dem ohnehin hinterfragbaren Anlass eines Dresdner Gedenkkonzertes zum 13. Februar in Einklang zu bringen. Doch zutiefst einig dürften sich Schostakowitsch und Sanderling in dem Punkt sein, dass Musik nicht nur ausgesprochen werden will und damit auch zum Retter avancieren kann, sondern uns auch bei den innersten Emotionen jenseits von großen Worten zu greifen vermag.
In diesem Verständnis sind die Sinfonien von Schostakowitsch von meisterhafter Größe und universeller Ansprache und erscheinen somit auch für den Gedenktag in Dresden geeignet. Die letzte Sinfonie, deren Uraufführung der Komponist noch 1972 unter Leitung seines Sohnes in Moskau beiwohnen konnte, ist kein Requiem und auch nicht die letzte musikalische Äußerung, sie ist vor allem eine Hinwendung nach innen und arbeitet wie schon zuvor die 14. Sinfonie mit einer völligen Reduktion der Mittel. Alles Überflüssige (wenn es so etwas überhaupt in seinem Werk gab), aller sinfonischer Tand ist getilgt, einsam werfen die Instrumente ihre oft kreisenden, ziellosen Melodien in den Raum, selten liegt ein langer Streicherton oder ein Tanz vortäuschendes Pizzicato darunter. Die Steigerungen gleichen kontrollierten, dennoch heftigen Ausbrüchen und sind im 4. Satz im dissonanten Höhepunkt der Sinfonie nur noch mit dem Wort Schmerz beschreibbar. Das will gehört werden und vor allem gespielt. Genau dafür setzte sich Michael Sanderling am Pult bei der Aufführung am Donnerstag im fast ausverkauften Kulturpalast ein.
Der Musik eine Stimme geben erscheint einfach, aber was Schostakowitsch von der ersten Note anbietet, ist schon per se eine Gratwanderung, ein Seiltanz quasi mit Kloß im Hals. Denn die Sinfonie zeigt den Abgrund, aber sie formt auch in wenigen lichten Passagen mit der Piccolo-Flöte und mehreren, von Wolfgang Hentrich charaktervoll ausgeformten Violin-Soli eine feine Melancholie und eine fast tröstliche Stimmung. Rätselhaft schimmern die Zitate von Rossini und Wagner in dieser Sinfonie herein, und wie das Leben selbst wechselt sich eine fast nach vorne stürzende Unruhe im 1. Satz mit dem unirdischem, ruhendem Choral im 2. Satz ab – fantastisch ausgeformt von den Blechbläsern des Orchesters. Hingegen wirkte der 3. Satz zerfahren und ziellos in seinen isolierten, auch kaum mehr zusammmenbringbaren Episoden. Das in Genauigkeit schlicht darzustellen und nicht noch in Überzeichnung deuten zu wollen, war wohl der am stärksten wirkende Aspekt der Aufführung von Michael Sanderling und der Dresdner Philharmonie. Die Stille am Ende öffnete den Raum für Gedanken.
- Das Konzert wurde von arte concert und dem MDR aufgezeichnet und kann noch bis 15. März bei arte concert angesehen werden.
Foto (c) Oliver Killig
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