„Komponieren in Sachsen“ mit Werken von Lydia Weißgerber und Albert Breier
Sollte man jemals für die Reihe „Komponieren in Sachsen“ des Sächsischen Musikbunds in Kooperation mit KlangNetz Dresden und der Hochschule für Musik ein Logo suchen, so würde sich das Unendlichkeitszeichen anbieten – auch nach zwölf Jahren Doppelporträt gehen den Veranstaltern nicht die Protagonisten aus. Selbst doppelt im Doppel porträtierte Komponisten würde man ja nunmehr verzeihen, weil sich in zwölf Jahren künstlerische Handschriften weiterentwickeln. Und wenn wir gerade beim Träumen sind: etwas persönlicher, etwas experimenteller und spritziger darf es auch wieder werden, selbst in der Nischennische des zeitgenössischen Gesprächskonzerts am akademischen Ort.
Dafür sind aber auch die Musiker und Komponisten selbst in der Gestaltung mitverantwortlich – gewisse Grenzen sind gesetzt, da es sich um Kammermusik und studentisches Engagement handelt. Was aber immer gelingt, ist ein zumeist aktueller, oft überraschender Einblick in die Werkstatt der Porträtierten. Die manchmal gar nicht so einfache Situation, als Komponist auf der Bühne im Gespräch mit Moderator Jörn Peter Hiekel noch Fragen zu beantworten und Sinniges über das oft Intimste, Innerste – nämlich die eigene Musik – verbal zu äußern, ist außerdem eine Herausforderung, die je nach Persönlichkeit schwankende Ergebnisse hervorbringt, und natürlich in zehn Minuten ebenfalls ein Schlaglicht bleiben muss.
Am Mittwochabend, diesmal im Rahmen der Tonlagen Hellerau veranstaltet, gehörte das Podium der Dresdner Komponistin Lydia Weißgerber (*1975) sowie Albert Breier (*1961), einem seit 2014 in der Stadt lebenden Komponisten und Schriftsteller. Die Entscheidung, der Aufführung von „Wohnen in fernen Landschaften“ (1997) von Breier zu Beginn gleich die verbale Einführung voranzustellen, sortierte zwar das Verständnis, hatte aber den Nachteil, dass man sich nicht mehr unvoreingenommen auf die Musik einließ. Das war in dem Fall fatal, da die von Breier geschilderten ästhetischen Einflüsse etwa der Malerei beim Hören zu stark als Folie im Hinterkopf wirkten, die Musik aber eigentlich pur aus sich heraus wirkte. Die spannende Besetzung mit vier Klarinetten, Streichquartett und Klavier nutzte Breier in seinen Potenzialen absichtlich nicht aus. Im permanenten Ineinanderfließen aller Elemente vermied er klassische Entwicklungen, Kontrastbildungen oder Dynamik oberhalb eines forte. Damit bewahrte er seiner Musik eine Eigenartigkeit, die nicht einfach zu fassen ist. Intonatorische und agogische Schwierigkeiten des Ensembles im leise-langsamen Ungefähren erschwerten die Aufnahme im Hören, so dass man sich am Ende ohne einen konzisen Ausdruck haltlos fühlte, und man muss Breiers Worten widersprechen: leise Musik zwingt nicht automatisch zum Hinhören.
Im zweiten Konzertteil – und das ist nun ausgerechnet das, was wohl beide Komponisten in den unterschiedlichen Stücken einte – war die Abstraktion auf der Ausdrucksebene hinderlich für ein wirklich sinnliches, erfreuendes Konzerterlebnis, was man leider auch den Instrumentalisten (Einstudierung und Leitung: Tomas Westbrooke) am Ende ansah. Viel hingetupftes Material wurde etwa in Weißgerbers Uraufführung „Für Oboe, 2 Celli, 2 Kontrabässe, Harfe und Toy-Piano“ ausgebreitet und zunächst erfreute man sich auch an der raumgreifenden Klanglichkeit dieser absolut ungewöhnlichen Besetzung. Doch die im Gespräch – muss dafür denn immer ein Lehrer oder Mentor herhalten? – herbeizitierte Polyphonie bewegte sich kaum einmal von der Stelle und war recht trocken im Klangergebnis. Viel lebendiger hingegen wirkte Weißgerbers ebenfalls uraufgeführtes „aus der Hand geben“ für Violine, Akkordeon und Klavier, da sie hier die geschriebene Musik „fluten“ ließ, auf der Suche nach der musikimmanenten Kraft des Fortgangs – mit überraschenden Ergebnissen! Dass diese Suche auch im fertigen Stück weiterhin einen Prozess schildert, ist unbedingt erlaubt. In dem tiefen Forschen der beiden Komponisten lag vielleicht auch eine Schönheit des Tuns verborgen, die an diesem Abend noch nicht für jeden Zuhörer verständlich war und im klingenden Resultat seltsam verblasste.
Foto: PR KlangNetz Dresden
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