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Genuss geht immer:
Unsere Ottolenghi-Simple-Sessions

Natürlich, eine gute Flasche Wein oder eine Tafel Schokolade kann Genuss sein, aber wie halten wir es mit dem täglichen Essen? Da soll es oft schnell gehen und die Nahrungsaufnahme ist manches Mal nur die kaum beachtete Unterbrechung zwischen beruflichen Tätigkeiten oder Besorgungen, und erst recht in diesen Zeiten muss sich manche(r) auch dahingehend umstellen. Doch wenn sich plötzlich das Zeitfenster im #stayathome ins Immense ausweitet und das Draußenessen, erst recht mit Freunden oder Kollegen, entfällt, bleibt eben auch der Griff ins Kochbuchregal und das Do-It-Yourself.

Was ganz unverhofft zu einer „Simple Session“ mit einer Freundin in Bremen führte, die Tag für Tag immer mehr Spaß machte. Ganz ohne Zoom und Skype zwar, dafür aber mit der selben Quelle ausgestattet, nämlich dem Kochbuch „Simple“ von Yotam Ottolenghi. Ich bin schon lange ein Fan seiner Küche, die Bücher „Jerusalem“ und „Genussvoll vegetarisch“ kennen sicher viele, die eine überraschend vielseitige Weltküche lieben, wobei ich daran besonders mag, dass je nach Rezept vom Orient bis hin zu mediterranen Traditionen sowohl der europäischen, als auch der vorderasiatischen und afrikanischen Küche sich vielfältige „Prisen“ zu Geschmacksexplosionen zusammenmischen. Mit Shakshuka und Mejadra war ich also schon ein bisschen vertraut.

Klassiker in Dresden: Reis mit Granatapfel-Salsa

Ottolenghis letzter Wurf ist das „Simple“-Kochbuch, das tatsächlich für den Alltag gedacht ist und mit bunten Symbolen Einfachheit, Kürze, wenige Zutaten etc. markiert. Trotzdem lernt man schnell, dass es mit Salz und Pfeffer hier nicht getan isft. Doch wenn man tatsächlich einiges aus dem Buch ausprobieren will, und davon handelt dieser – diesmal so gar nicht musikalisch gegründete – Blogbeitrag, dann lernt man auch die Sortimente der großen Supermärkte ebenso wie die Spezialgeschäfte und Alimentari der Türken, Inder und Syrer kennen. Schwarzer Knoblauch? Kein Problem. Baharat? Die Dresdner Neustadt hat doch sogar einen Gewürzladen! Die Zitrone auf dem Cover sollte man ernst nehmen, und ebenso ist es nicht falsch, fetten Joghurt, Eier und eine ganze Fensterbank voll Kräuter immer vorzuhalten. Und tatsächlich haben wir auch keine dekadente Nobelküche kredenzt, sondern sind mittlerweile davon überzeugt, dass ein gut durchgezogener Sumach-Tomatensalat das Höchste der Gefühle sein kann!

Klassiker in Bremen: Tomaten mit Sumach-Zwiebeln

Eigentlich hatten wir keinen Plan – der äußere Anlass war Claudias Geburtstag am 12. März, an dem sie in Bremen das von mir geschenkte Kochbuch enthüllte. Ich hatte bis dato mit meinem Exemplar hier in Dresden auch noch nicht viel gekocht, also tauschten wir uns ein bisschen aus und legten los. In der Rückschau sind wir bei tatsächlich 29 ausprobierten Gerichten angekommen, wovon wir nur vier – beinahe zufällig – doppelt in Bremen und Dresden hergestellt haben, persönliches Gusto eben.

Und nun gibt es eine kleine Reise in die Ottolenghi-Welt, die wir in den letzten fünf Wochen gemeinsam, aber mit gehörigem Abstand von 500 Kilometern zwischen Weser und Elbe, bereist haben, Ende offen, denn es gibt immer noch einiges zu entdecken, und Ottolenghis nächstes Kochbuch wird uns im September beglücken. Und das hier soll natürlich nur eine private Werbung sein, vor allem weil uns das Erkunden neuer Geschmackshimmel große Freude macht und man nebenbei noch einige Kochkniffe lernt. Dementsprechend sind hier auch keine gepimpten Foodblogger-Qualitätsfotos, wir haben uns die zunächst selbst geschickt, die Idee zum Blogeintrag kam erst zum Schluss. In Echt sah und roch und schmeckte alles natürlich viel viel besser, ist ja klar.

Das erste Quartett aus Dresden. Angesichts in der letzten Zeit leergefegter Nudelregale war es absurderweise das Schwierigste, die passende Nudelsorte zum Rezept zu finden, auf dem Bild sind natürlich keine Gigli. Lammfleisch ist bei Ottolenghi in vielen Variationen zu finden und vor allem Geschmacksträger für alle möglichen Zutaten, in diesem Fall den Pistazien und dem Rucola im Hack. Der Salat dazu entstand dann nebenbei. Sumach ist die wohl tollste neue Zutat, die ich kennenlernte. Man muss ja fast aufpassen, dass man den Sumach-Joghurt nicht pur löffelt, optisch ist er mit einer Stracciatella-Creme zu verwechseln, geschmacklich natürlich nicht… – Pürree läßt sich ganz einfach tunen, indem man das Kochwasser gleich aromatisiert. Und die Eier mit Lauch könnten zum Abendklassiker werden, wenn ich sie nicht gleich beim ersten Mal etwas überzitronisiert hätte…

In Bremen wurde mit einer kleinen Tapas-Serie gestartet: Avocado-Butter und Tomaten-Salsa und Iranische Kräuterpuffer, nicht im Bild die Erbsenkrapfen, die später aufgrund von Leckerigkeit (sagt man das so?) wiederholt wurden. Die Zucchini-Ciabatta-Fritatta ist gehaltvoll, dazu passt dann genau der Sumach-Tomatensalat mit dem besonderen Geschmack der eingelegten Schalotten.

In Dresden war derweil Nudelzeit. Mit Harissagläsern sollte man vorsichtig sein bzw. je nach Fabrikat immer neu abschmecken. Mancher Rosen-Harissa verträgt den großen Eßlöffel, bevor man Feuer spuckt, andere sind schon bei einer Messerspitze explosiv. Eine so gefüllte Kartoffel benötigt auch kein Beiwerk mehr zum Sattessen, ebenso wie die fluffigen Ricotta-Hackbällchen am besten mit Reis oder Salat schmecken. Spannend auch die Kombination eines gebackenen Curry-Blumenkohls mit (vielen) Eiern und einem Estragon-Isot Biber-Dressing.

Wir switchen wieder nach Bremen, wo nun auch die Lammfrikadellen entdeckt wurden, zeitgleich mit Dresden ebenfalls der Lauch in die Pfanne kam und die Erbsenkrapfen perfektioniert wurden. Als süßen Ausgleich gab es einen Kühlschrankkuchen, ähnlich einem Kalten Hund.

In Villarriba wurde währenddessen gespült…nein, falscher Film. In Dresden konnte der Tomatenvorrat nur durch einen weiteren Salat reduziert werden, nämlich einen mit Tahin und Za’atar. Da man mit Za’atar auch Kartoffeln, Pommes, Pizza und andere Salatkreationen bestreuen kann, sollte man das eh im Haus haben. Tahin wiederum ist schlicht Sesampaste und sehr prägend im Geschmack, so auch bei dem Lammauflauf im 2. Bild, der „aus Versehen“ entstand, da ich statt Hack eine Schulter beim Metzger geholt hatte. Linsen und Auberginen passen sehr gut zusammen, samt Joghurt und Tomaten wird eine vollwertige Mahlzeit draus. Und der Zucchini-Stampf ist mir nicht ganz gelungen, da ist die Konsistenz der Zucchini auch zu beachten. Lecker war es trotzdem.

Es geht auf Ostern zu und in der Bremer Küche wird es spannend: In Ermangelung von Trauben wird die Burrata kurzerhand mit Hähnchen zubereitet. Nach dem Treffer von schwarzem Knoblauch im Supermarkt gab es Rosenkohl, die Lammbällchen sind mit Feta köstlich verfeinert. Pochiertes Ei mit Pilzen ist ein Super-Abendsnack, während die Tonnato-Ofenkartoffel schon etwas feiner daherkommt.

Die Battle wird in Dresden (zumindest für diesen Artikel, wir sind schon auf weiteren Erkundungen) beschlossen mit wunderbaren Tortillas, sogenannten Lamm-Arayes, die gleich für mehrere Tage reichen. Und auch hier ist das Süßwarenkapitel im Buch endlich entdeckt worden – der Heidelbeerkuchen gelingt trotz Blackout beim Backen: die Mandeln werden beim zweiten Versuch dann sicher nicht mehr fehlen…

Das Finale kommt von der Weser: ein Zucchini-Salat mit Walnüssen deutet schon auf sommerliche Freuden hin, der Blumenkohl wurde nun auch ausprobiert, und ja: mit 9 Eiern! – und was an der Elbe bislang schmählich ausgespart wurde, war das Fisch-Kapitel: das Tatar wird aber zwingend nachgeholt. Und absolut empfehlenswert als Snack, Tapa oder auf dem Garten-Party-Buffet (hoffentlich bald wieder…): die Erbsenkrapfen.

Wer Anregungen oder Fragen zu den Rezepten hat, darf gerne kommentieren, vielleicht gibt es ja auch schon kreative Weiterentwicklungen der Ottolenghi-Ideen? Und wir hoffen natürlich, dass ihr spätestens jetzt nach dem Lesen in der Küche verschwunden seid…viel Spaß beim Nachkochen und Ausprobieren!

 

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